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«Geehrt und ein wenig nervös»

Gutgelaunter Sydney Pollack vor der Presse in Locarno: "Warum macht ihr das Festival, wenn es regnet?". swissinfo.ch

Sydney Pollack hat in Locarno den Ehrenleoparden für sein Lebenswerk erhalten. Seit mehr als drei Jahrzehnten gehört er zu den herausragenden Persönlichkeiten des Hollywood-Kinos.

«Ich fühle mich besonders geehrt, weil in Locarno viele nicht-kommerzielle Filme gezeigt werden, die in ihrer Art Kunstfilme sind», sagte Pollack in Locarno. Er selbst habe immer in einem Filmgeschäft gearbeitet, das die ganze Welt erreichen wolle. Doch er habe auch nach Freiraum gesucht, um innerhalb dieser Strukturen intelligente Ideen realisieren zu können.

Lange nicht gesehen

Einem grossen Publikum bekannt wurde Sydney Pollack 1969 mit «They Shoot Horses, Don’t They?». Dies ist auch der Film, der am Samstagabend am Festival gezeigt wurde, nachdem Irene Bignardi den goldenen Ehrenleopard überreicht hatte. Erzählt wird von den wochenlangen Tanz-Marathons der Depressionszeit in den USA, wo Paare bis zu Erschöpfung tanzten, um das Preisgeld zu erringen.

Pollack hatte sich sehr darauf gefreut, «They Shoot Horses, Don’t They?» auf der riesigen Leinwand der Piazza Grande zu erleben. Wegen des Regens wurde der Film jedoch im Saal gezeigt. Er habe den Film seit etwa 20 Jahren nicht mehr gesehen, hatte Pollack gutgelaunt am Morgen an einer Pressekonferenz erzählt. «Ich bin ein wenig nervös, ich weiss nicht wie ich mich fühlen werde, ob er mir gefallen wird».

Regisseur und Produzent

Die beste Zeit der Karriere Pollacks (geboren 1934) begann in den Siebzigerjahren. Es entstanden Meisterwerke wie «Jeremia Johnson», «The Way We Were», «Three Days Of The Condor» und «Yakuza». Schon damals blieb er der Darstellung der Gewalt in Hollywood-Filmen fern.

Seine 18 Filme wurden fast 50 mal für die Academy Awards nominiert. Für «Out Of Africa» (1985) erhielt Pollack sieben Oscars. Bezeichnend ist, dass er stets mit allen Filmgattungen experimentiert hat: Er machte Kriegsfilme und Western, Abstecher in den Film Noir, den Thriller, die Komödie und den Animationsfilm.

Auch als Produzent hat sich Pollack einen Namen gemacht. Sein Hauptinteresse galt der Entdeckung junger Talente. Dies hatte er auch mit dem «Sundance Festival » bewiesen, das er mit seinem langjährigen Freund Robert Redford gründete. Redford hat mit Pollack sieben Filme gedreht.

Die Aussage eines Films steht für Pollack an erster Stelle, dies sowohl bei seiner Arbeit als Regisseur wie auch als Produzent. «Wenn ich einen Film produziere, geht es mir nicht in erster Linie darum, Geld zu verdienen», so Pollack. «Ich interessiere ich mich dafür, was der Film aussagt. Und ich will das Beste aus allen Leuten herausholen, die an diesem Film arbeiten.»

Langer Weg in die Kunst

Wenig hält Pollack von der Idee, aktuelle Ereignisse als Anlass für einen Film zu nehmen: Zum Beispiel den Terroranschlag vom 11. September. Obwohl es genug Stoff für Geschichten gäbe: «Wir mussten realisieren, dass wir keinen Erfolg hatten in unseren Beziehungen mit einem Grossteil der Welt», erklärte der Filmemacher. «Man kann nicht reich und mächtig sein und gleichzeitig von jenen geliebt werden, die dies nicht sind.»

Er glaube nicht daran, dass es etwas nütze, zu dieser Problematik als Reaktion nun einen Film zu machen. «Es braucht eine sehr lange Zeit, für den emotionalen, politischen und sozialen Zustand eines Landes, seinen Weg in die Kunst zu finden», so Pollack. «Wenn man sich von den Schlagzeilen in einen Film stürzt, macht man nichts als Propaganda. Wir brauchten zehn Jahre, um einen guten Film über Vietnam zu drehen.»

Kathrin Boss Brawand, Locarno

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