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Höllisch heisser Techno-Umzug in Zürich

Tänzerinnen auf einem der 25 Love Mobiles an der 12. Street Parade. Keystone

Bei einer Gluthitze von über 35 Grad tanzten an der Street Parade am Samstag Nachmittag rund 900'000 Technofans ums Zürcher Seebecken.

Der bunte Umzug mit viel nackter Haut wurde nicht nur zur heissesten Zürcher Parade, sondern auch zum grössten Technoanlass der Welt in diesem Jahr.

Rund 900’000 Raverinnen und Raver verwandelten die Limmatstadt am Wochenende in ein schrilles und vor allem lautes Mekka der Technomusik. Während des Umzugs am Samstag und der anschliessenden Partys kam es laut der Zürcher Stadtpolizei aber zu keinen grossen Zwischenfällen.

8 Verhaftungen

8 Personen wurden wegen Dorgendelikten und Verkauf von Lachgas festgenommen, weitere 18 deswegen angezeigt. Grössere Mengen Drogen seien keine gefunden worden, so die Polizei weiter. Nach Mitternacht musste sie rund 40 Mal ausrücken, weil sich Anwohner über zu laute Technomusik beschwert hätten.

Bis nach Mitternacht mussten an den 13 Sanitätsposten rund 1000 Personen medizinisch behandelt werden, 116 von ihnen wurden ins Spital gebracht. Die meisten Behandlungen erfolgten wegen Kreislaufproblemen infolge Hitze, Alkohol- und anderem Drogengenuss, Schnittwunden oder Insektenstichen.

Am Rande der Street Parade ist es aber offenbar doch zu einem gewalttätigen Zwischenfall gekommen. Am Samstagabend wurde ein 36jähriger Mann mit sehr schweren Kopfverletzungen am Utoquai im Zürcher Kreis 8 gefunden.

Erste Erkenntnisse wiesen auf eine Schlägerei hin, teilte die Kantonspolizei Anfang Woche mit. Nähere Tatumstände seien jedoch noch nicht bekannt und würden abgeklärt.

Rund 100 Tonnen Abfall

In der Innenstadt sammelten Mitarbeiter der Stadt Zürich am Samstag nach Ende des Umzugs rund 50 Tonnen Abfälle ein. Noch einmal so viel dürfte laut Veranstaltern entlang der eigentlichen Parade-Route angefallen sein. Dieser Müll wurde durch eine private Reinigungsfirma beseitigt.

Exzentrische Parade als «politische Demonstration»?

Die 2,4 Kilometer lange Parade ums Seebecken bleibt laut den Organisatoren weiterhin eine politische Demonstration. «Wer die Sonne im Herzen trägt, kann keine sinnlosen Kriege führen», sagte der Paraden-Präsident Michel Loris-Melikoff. Vereinzelt waren denn auch die bekannten farbigen Friedens-Fahnen zu sehen.

«Verordnete» Sonne stach unbarmherzig

Das diesjährige Motto «Let the sun shine» traf voll ins Schwarze. Nach dem Dauerregen bei 17 Grad im letzten Jahr brachte der offiziell herbeigewünschte Sonnenschein die Technofans mit einer Tageshöchsttemperatur von 34,2 Grad zum Kochen.

Entsprechend knapp waren die Outfits der Technoiden aus aller Welt. Nackte oder nur knapp bedeckte Oberkörper, vielfach bemalt oder tätowiert zuckten während Stunden zu den markerschütternden Techno-Beats der 25 Lovemobiles.

Abkühlung fanden die Raverinnen und Raver unter den grossen Duschanlagen am Bürkliplatz oder direkt im Zürichsee. Rund um die Quaibrücke, wo der See in die Limmat mündet, lagen Motorbote und Segelschiffe Seite an Seite und boten Tanzverrückten eine kleine Tanzfläche.

Grösster Technoanlass der Welt

Explodiert sind nicht nur die Temperaturen, sondern auch die Besucherzahlen. Street-Parade-Pressesprecher Stefan Epli sprach von schätzungsweise 900’000 Menschen.

Damit kratzt der Umzug nicht nur an seinem eigenen Rekord von rund einer Million Menschen aus dem Jahr 2001, sondern ist dieses Jahr der grösste Technoanlass der Welt. Erstmals hat die Zürcher Parade ihr Vorbild, die Berliner Love Parade, überrundet, welche heuer «bloss» 750’000 Menschen anzuziehen vermochte.

Die 25 Love-Mobiles – 5 konnten aus finanziellen Gründen nicht teilnehmen oder wurden wegen Mängeln nicht zugelassen – zuckelten dieses Jahr neu in der entgegengesetzten Richtung ums Zürcher Seebecken. Damit wollten die Organisatoren die Lärmbelastung für die Wohnbevölkerung im Seefeld-Quartier reduzieren.

Nur kleine Zwischenfälle

Sanität und Polizei mussten im Verlauf der Street Parade und der darauf folgenden zahlreichen nächtlichen Partys rund 750 Raverinnen und Raver behandeln, 50 von ihnen mussten ins Spital eingeliefert werden.

Bis auf einen Knochenbruch handelte es sich dabei aber um kleine Blessuren wie Schnittwunden sowie Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme wegen der grossen Hitze. Zu grösseren Zwischenfällen ist es laut der Stadtpolizei Zürich nicht gekommen.

Nach der Streetparade standen weiter drei grosse Open-Air-Dancefloors und rund 100 grosse und kleine Partys auf dem Programm, die ihr Ende teilweise erst im Verlauf des Sonntags finden werden.

swissinfo und Agenturen

Die Zürcher Street Parade hat sich innerhalb von zwölf Jahren vom Minderheitenanlass der aus dem Untergrund tretenden House- und Techno-Szene zur grössten Open-Air-Party der Schweiz entwickelt.

Nach anfänglicher Skepsis der Behörden – 1994 wollte die Stadt Zürich den Anlass verbieten – wird die Mega-Tanzparty um das Zürcher Seebecken heute nicht nur geduldet, sondern sie ist zu
einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor mit einem geschätzten Umsatz
von mehr als 150 Millionen Franken geworden.

Juristisch handelt es sich nach wie vor um eine politische Demonstration. Dies erspart es dem veranstaltenden Verein, für den Sicherheitsaufwand aufkommen zu müssen. Seit 1996 müssen die Veranstalter aber die Beseitigung der mittlerweile mehreren Dutzend Tonnen Abfall berappen.

Die Teilnehmerzahlen stiegen von 1500 bei der ersten Auflage 1992 bis auf eine Million im Jahr 2001. Letztes Jahr sorgte hauptsächlich der Regen für einen Rückgang auf 650’000 Teilnehmer.

Für Sanität, Polizei und den öffentlichen Verkehr ist die Street Parade ein Grosskampftag. Die SBB stellten dieses Jahr rund 150 Extrazüge bereit. Die Swiss bot günstige Spezialflüge aus verschiedenen europäischen Städten nach Zürich an. Die S-Bahnen verkehrten bis Sonntag um 04.00 Uhr und die Trams und Busse in der Stadt durchgehend.

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