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“Ich liebe die optische Irritation”

swissinfo.ch

Der Schweizer Grafiker und Jazzpromotor Niklaus Troxler wird in New York als "Music Man" mit einer Ausstellung geehrt.

Zu sehen sind in der Kunstakademie Cooper Union Plakate des 60-Jährigen, der in der Schweiz vor allem als Organisator des Jazzfestivals Willisau bekannt ist.

Die New Yorker Sektion des Berufsverbands der amerikanischen Designer ehrt Troxler damit für sein grafisches Schaffen.

Selten hätten sich die zwei Kunstgattungen Musik und Design so elegant vereint wie im Werk von Niklaus Troxler, schreibt der Berufsverband der Grafiker AIGA-NY.

Seine Plakate gingen mit Scharfsinn und Witz auf den Jazz ein und zeigten seine ganz spezielle Liebe zu dieser Art Musik.

In seinen Konzertplakaten macht Troxler die gemeinsamen Energien von Musik und Design sichtbar. Seiner Intuition folgend und ohne grosse theoretische Überlegungen zaubert er verblüffende Bilder aufs Weltformat.

Dabei kommen Rhythmus, Farbe und Struktur der jeweiligen Musik oft unmittelbar zum Ausdruck.

Junge Grafiker sollen ihre Hände brauchen

Ob er als Grafiker, der sein Handwerk vor der Ankunft der Computer gelernt habe, jungen Berufskollegen einen Ratschlag auf den Weg geben könne, will eine Frau aus dem Publikum wissen.

“Junge Grafiker sollten ihre Hände brauchen.” Mit Bleistift und Papier könne man zudem von kreativen Unfällen profitieren, mit der Computer-Maus ergäben sich solche Möglichkeiten hingegen kaum.

“Ich liebe die optische Irritation”, sagt Troxler. Darum arbeite er oft bis weit hinaus an den Rand des Papiers (oder darüber hinaus). So erscheint das Plakat grösser als seine Konkurrenten, sagt Troxler und erklärt, dass in der Schweiz Plakate oft in Serien von drei gehängt würden.

Die Musiker reagieren laut Troxler sehr unterschiedlich auf die Plakate zu ihrer Musik. Einige seien überrascht und erfreut, andere wiederum interessierten sich überhaupt nicht dafür. Neben Plakaten gestaltet Troxler oft auch das Bühnenbild.

Jazzmusiker verdienen ihr Geld in Europa und Japan

Mit 19 organisierte Niklaus Troxler sein erstes Jazzkonzert. Das Jazzfestival Willisau, das seit 1975 jährlich stattfindet ist nach wie vor eines der wichtigsten europäischen Schaufenster für den zeitgenössischen Jazz.

Das Festival hat sich äusserlich seit seinen Anfängen kaum verändert. Noch immer campieren Festivalbesucher gratis, und im Matratzenlager kostet eine Übernachtung bloss zehn Franken.

Musiker aus New York (viele der in Willisau über die Jahre auftretenden Musiker leben und arbeiten hier) sind laut Troxler leicht für eine Festivalteilnahme zu gewinnen. “Kein Problem”, sagt er. “Jazzmusiker verdienen ihr Geld in Europa und Japan, da braucht es meist keine Überredungskünste.”

Das ist nicht kitschig, das ist Wirklichkeit

“Schade, dass schon Semesterferien sind”, meint Troxler nach seiner Präsentation an der Kunstakademie Cooper Union, “sonst wären sicher viel mehr Junge gekommen”.

Dass trotzdem recht viele junge Leute da sind, macht dem 60-Jährigen sichtlich Spass. “Heute werden Persönlichkeit und eigener Charakter eben wieder geschätzt,” sagt er im Gespräch mit swissinfo.

Die Geschichte vom jungen Willisauer, der nach Typographenlehre und Kunstgewerbeschule in die grosse Welt hinauszieht, aber schon zwei Jahre später an den Fuss des Napfs zurückkehrt und in Willisau sein eigenes Atelier eröffnet, erzählt Troxler ohne jegliche Ironie.

Für ihn sind New York, das er als Konzertorganisator oft besucht, und das Geranien-bestückte Voralpenchalet, in dem er bis heute lebt und arbeitet und das während seiner Erzählung auf der Wand hinter ihm aufleuchtet, keine Gegensätze. “Das Haus ist nicht kitschig, das ist Wirklichkeit”, korrigiert Troxler einen Journalisten.

Dass er als “Avantgarde” gelten könnte, wie ihn eine ältere Dame im Vorbeigehen charakterisiert, freut ihn heute ganz besonders. Ihn, der mit der “offiziellen” Avantgarde im eigenen Land – dem international wegweisenden Swiss Style der 60er-Jahre – nie so richtig den Rank fand.

swissinfo, Dieter Kuhn, New York

Fakten:
Jazzfestival Willisau 2007
30. August – 2. September
Unter anderem mit Louis Sclavis New Quintet, Marc Ribot Trio, Ceramic Dog, Kenny Wollesen & Festival Street Band und Soloauftritten von Christy Doran, Xu Fengsia und John Wolf-Brennan

Geboren 1947 in Willisau, Kanton Luzern

1963-67 Berufslehre als Typograph

1967-71 Grafisches Design, Kunstgewerbeschule Luzern

1971-72 Art Director bei Hollenstein Créations in Paris

Seit 1973 eigenes Atelier für Grafisches Design

1966 Organisator der Willisauer Konzerte, seit 1975 als Willisau Jazz Festival bekannt

Seit 1998 Professur an der Staatlichen Akademie für Kunst und Design in Stuttgart.

30. August – 2. September
Unter anderem mit Louis Sclavis New Quintet, Marc Ribot Trio, Ceramic Dog, Dave Douglas, Dave Holland, Kenny Wollesen und Christy Doran.

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