Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Internationalität jenseits des Röstigrabens

Nur wenige Deutschschweizer Verlage sind in Genf präsent. Keystone

Portugal schickt die Elite seiner Autorengemeinde an die Internationale Messe für Buch und Presse in Genf. Die Literaturszene der Deutschschweiz hingegen hat einen schwachen Auftritt.Mit einer Charta, die eine "zukunftsfähige, europäisch orientierte Schweiz" festschreibt, wollen Intellektuelle und Literaten 2002 Gegensteuer geben.

Am Buchsalon in Genf repräsentieren 300 Aussteller rund 1’000 Verlage. Ganze 25 Einzelstände und der Gemeinschaftsstand des Buchzentrums bz vertreten die Deutschschweizer Literatur, deren Angebot damit kleiner ist als in einem grossen Buchladen. Bestseller sucht man vergebens, obwohl der Salon eine Publikumsmesse ist.

“Für Deutschschweizer Autorinnen und Autoren ist Genf nicht so wichtig”, sagt denn auch Peter A. Schmid, Geschäftsführer des Schweizerischen SchriftstellerInnen-Verbandes. Es sei denn, die Werke werden ins Französische übersetzt. Verlage, die Übersetzungen machen, sind in Genf vertreten, zum Beispiel der Limmat Verlag.

“Fatales” Desintresse

Das Desinteresse der Deutschschweizer am Buchsalon findet der Autor Hugo Loetscher “fatal” für die ganze Schweizer Kultur. Der Salon sei die “grösste kulturelle Veranstaltung der Schweiz”, sagte er an einer Pressekonferenz. Nun will eine Gruppe Intellektueller und Schriftsteller Gegensteuer geben: Am Genfer Buchsalon 2002 soll eine Charta formuliert werden, die eine zukunftsfähige, europäisch orientierte Schweiz festschreibt.

Deutschschweiz nach Frankfurt und Leipzig

Tatsache ist: Wichtig für Deutschschweizer Autorinnen und Autoren sind besonders die Messen in Frankfurt und Leipzig. Das habe mit den Verlegern zu tun, die eher nach Frankfurt schauen würden, sagt Peter A. Schmid. Und da Frankfurt in erster Linie eine Fachmesse ist, wo mit Nebenrechten gehandelt wird, sei ein dortiger Auftritt eben auch ökonomisch interessanter als in Genf. Dazu sei Frankfurt der Ort, um deutschsprachige Kollegen zu treffen.

Nach Frankfurt schaffen es aus der deutschen Schweiz allerdings höchstens die 100 bedeutendsten Autoren, die auch zu renommierten Verlags-Häusern gehören. Kleine Verlage können sich einen Auftritt in Frankfurt kaum leisten.

Wichtig für Romandie

Für die französisch-sprachigen Autoren der Schweiz ist die Messe in Genf hingegen ein wichtiger Anlass. Wer an der Messe in Paris nicht vertreten ist, erhält möglicherweise in Genf eine Plattform. Auch kleinere Verlage und weniger bekannte Schriftsteller sind in Genf anzutreffen, was der Messe zum im Vergleich mit Frankfurt einen “regionaleren Charakter” gebe, meint Peter A. Schmid. Hugo Loetscher formuliert es positiv: die Präsentation der welschen Verlage hätten ihm ein neues Bild der Romandie vermittelt.

Die italienisch-sprachigen Autorinnen und Autoren gehen eher an die Messe in Turin, weniger nach Genf. Sozusagen keine Chancen, an Messen zu gehen, haben rätoromanische Autoren. “Sie haben Mühe, ihre Bücher überhaupt zu verlegen”, weiss Schmid.

SBVV nicht präsent

Unterstrichen wird das Fehlen der Deutschschweiz in Genf auch dadurch, dass der Schweizerische Buchhändler- und Verlegerverband SBVV in diesem Jahr nicht vertreten ist. Fehlende Finanzen seien die Gründe, sagte Men Haupt, SBVV-Präsident, gegenüber swissinfo. Doch im nächsten Jahr sei der Verband wieder dabei. “Es ist unsere Aufgabe, auch in der französisch-sprachigen Schweiz präsent zu sein.”

Übersetzungen als Chance für kulturellen Austausch

Eine Chance für den Austausch zwischen den Sprachregionen sieht Peter A. Schmid darin, mehr Werke der Schweizer Literatur in andere Landesprachen zu übersetzen. Würden mehr Deutschschweizer Autoren übersetzt, wäre auch deren Präsenz in Genf grösser, meint Schmid. Ein Schritt in diese Richtung ist der Auftritt von Martin Suter. Er liest am Sonntag aus seinem Roman “Die dunkle Seite des Mondes” und präsentiert am Tag darauf auch zwei seiner Bücher in französischer Übersetzung.

Höhepunkt Portugal

Doch der grosse Auftritt gehört dem Gastland Portugal, das die Crème seiner Autoren-Gemeinde nach Genf schickt. Darunter sind Nobelpreisträger José Saramagom, die derzeit erfolgreichste Autorin Augustina Bessa-Luis und verschiedene renommierte Jugendbuchautoren. Ein Teil der rund 110’000 erwarteten Messe-Besucher werden Heimweh-Portugiesen aus allen Landesteilen sein.

Kathrin Boss Brawand

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft