Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schillerstiftung: 100 Jahre für die Literatur

Erika Burkart, Gewinnerin des Grossen Schillerpreises 2005. Keystone

Als die Schweizerische Schillerstiftung entstand, wollte sie Autoren in Not helfen. Heute zeichnet sie Qualität aus und dies in allen vier Landessprachen.

Zum 100-Jahr-Jubiläum erhielt erstmals eine Frau den Grossen Schillerpreis: Erika Burkart.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts leiden viele Schriftsteller Not. Dies gilt auch für die Schweiz. Und doch lehnt Hans Bodmer, Gründungsmitglied der Schweizerischen Schillerstiftung, im Jahr 1904 die Einladung der Deutschen Schillerstiftung ab, eine Schweizer Sektion zu gründen.

Zwar teilt Bodmer die Ziele der Mitte des 19.Jahrhunderts gegründeten Stiftung, das heisst Schriftstellern in Not zu helfen. Doch er ist überzeugt, dass die multikulturelle und politisch unabhängige Schweiz eine eigene Institution braucht.

Vier Sprachen, eine Stiftung

“Eine Teilnahme an der Deutschen Schillerstiftung wäre nur der Deutschen Schweiz vorbehalten”, antwortet Bodmer damals nach Deutschland. Die Schweizer Literatur fusse aber auf drei Landessprachen, dem die Schweizer Institution Rechnung tragen müsse.

Erstaunlicherweise spricht Bodmer in diesem Schreiben von einer dreisprachigen Schweiz und vergisst das Rätoromanische. Doch die vierte Landessprache wurde dann nicht vergessen, als es darum ging, die Idee einer Schweizer Schillerstiftung zu konkretisieren.

Der Bund hatte 50’000 Franken zugesagt, allerdings zur Bedingung gemacht, dass ein ebenbürtiger Betrag von Privaten bereit gestellt wird.

Die Initianten machten sich auf die Suche nach Gönnern und erinnerten in ihrem Schreiben daran, dass die neue Stiftung keinerlei linguistische Grenzen haben werde: “Es geht darum, aus dem Elend zu helfen. Und im Elend sprechen alle die gleiche Sprache.”

Dieser Gleichbehandlungs-Grundsatz hat sich bis heute erhalten. “Wir sind die einzige nationale Institution, die jedes Jahr einen Preis an Schriftsteller und Schriftstellerinnen aus allen vier Sprachregionen vergibt”, rühmt sich Peter Uhlmann, Präsident der Schweizerischen Schillerstiftung.

Von der Unterstützung zur Auszeichnung

Die ersten Statuten von 1905 erwähnten zwei Bedingungen, um von der Stiftung unterstützt zu werden. Es musste sich einerseits um einen “verdienstvollen” Schweizer Literaten handeln, der sich andererseits in “ernsthaften Überlebensschwierigkeiten” befand.

Das war Pionierarbeit: Damals gab es keine Sozialversicherungen oder Organisationen zur Förderung des kulturellen Lebens wie Pro Helvetia, Pro Litteris oder den Schweizerischen Schriftstellerverband.

Doch schon bald erreichte das Qualitätskriterium die Oberhand. In den Statuten von 2004 ist die Hilfe für Schriftsteller in finanzieller Notlage nur noch als letztes Ziel der Stiftung aufgelistet.

Die Vergabe der jährlichen Preise sowie die Vergabe des Grossen Schillerpreises (alle vier bis sechs Jahre) sowie die Förderung von Nachwuchs-Schriftstellern geniessen heute Priorität.

Bereits 1920, als erstmals der Grosse Schillerpreis als höchste literarische Auszeichnung der Schweiz vergeben wurde, spielte die ökonomische Situation des Prämierten keinerlei Rolle.

Es handelte sich um Carl Spitteler, der im Jahr zuvor bereits mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet worden war. Spitteler stellte das Preisgeld von 5000 Franken umgehend wieder der Stiftung zu Verfügung.

Erika Burkart zum 100-Jahr-Jubiläum

Die Schweizerische Schillerstiftung hat in ihrer Geschichte stets eine konservative Haltung gepflegt und sich wenig innovativ gezeigt.. Die Literaturkritikerin Elsbeth Pulver spricht in ihrem Beitrag für die 100-Jahr-Jubiläumsschrift von “einer gewissen Distanz zu extremen Werken”.

Auch den Frauen unter den Schriftstellern liess die Stiftung nicht die notwendige Aufmerksamkeit zukommen. Und dies, obwohl es immer mehr Autorinnen gibt.

Erst in diesem Jahr wurde mit Erika Burkart erstmals eine Schweizer Literatin mit dem Grossen Schillerpreis für ihr Gesamtwerk geehrt.

Es handelt sich um eine der bedeutendsten Erscheinungen in der Poesie der deutschsprachigen Schweiz, die seit Jahrzehnten von der Kritik gelobt wird. “Burkart hätte schon früher ausgezeichnet werden sollen”, räumt Uhlmann ein.

Die 1922 in Aarau geborene Schriftstellerin lebt in einer alten Abtei im Kanton Aargau. Trotz ihrer scheinbaren Isolierung leben in ihren Erzählungen und Gedichten die grossen literarischen Themen weiter: Liebe, Tod, Einsamkeit, Trauer und Zerstörung.

swissinfo, Doris Lucini
(Übertragen aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

1904 wird die Idee für eine Schweizerische Schillerstiftung geboren.
9.5.1905: Zum 100.Todestag des deutschen Literaten Friedrich Schiller wird die Schweizerische Schillerstiftung mit einem Festakt gegründet.
1920: Erstmals wird der Grosse Schillerpreis vergeben (Carl Spitteler, 5000 Franken).
2005: Erika Burkart erhält als erste Frau den inzwischen mit 30’000 Franken dotierten Grossen Schillerpreis.
Der Grosse Schillerpreis wurde bisher 17 Mal vergeben.

Die Schweizerische Schillerstiftung wurde gegründet, um Schriftstellern in finanzieller Notlage zu helfen. Aus einem “Hilfsbetrag” wurde schon bald ein “Schillerpreis”.

Als einzige Institution der Schweiz vergibt die Schillerstiftung jedes Jahr Auszeichnungen an Autoren aus allen vier Sprachregionen.

Der Grosse Schillerpreis wird in unregelmässigen Abständen verliehen und ehrt jeweils das Gesamtwerk eines Autors.

Für das 100-Jahr-Jubiläum der Stiftung erschien der Band “Schweizerische Schillerstiftung 1905-2005”, der die Geschichte der Stiftung nachzeichnet.

Die Nominierungen im Verwaltungsrat (Jury) werden vom Bundesamt für Kultur (BAK) ratifiziert. Alle vier Sprachregionen sind vertreten.

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