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Schule setzt Massstab für Integration

Keine Berühungsängste mit anderen Kulturen: Schüler der Primarschule Fluhmühle. swissinfo.ch

Die Primarschule Fluhmühle im zentralschweizerischen Littau müsste zu den schlechtesten des Landes gehören. Aber weit gefehlt.

Das Schulhaus steht neben einem Hochhaus-Quartier, wo vorwiegend Immigranten-Familien mit tieferen Einkommen leben.

Die Gegend hat einen schlechten Ruf. Sie gilt gar als “Ghetto”. Die meisten Einwohner sind Immigranten. Die einheimischen Familien sind schon vor Jahrzehnten weggezogen, aus Furcht, ihre Kinder könnten unter schlechten Einfluss geraten.

Die fremde Besucherin aber staunt: Die Türen haben nur einfache Schlösser, es gibt keine Sprayereien, und die Sonne spiegelt sich in blitzblanken Fensterscheiben. Alles andere als Hinweise auf Spannungen zwischen den Kulturen.

Friedliche Ambiance

Die Primarschule Fluhmühle verströmt dieselbe friedliche Stimmung. Die Kinder seien allesamt hochmotiviert, sich mit Bildung einen Lebensstandard zu sichern, von dem ihre Eltern immer geträumt haben, sagt Regula Kuhn, Vorsteherin der Schule.

Nur seltsam, dass in verschiedenen Studien behauptet wird, dass das Ausbildungs-Niveau sinkt, wenn es viele Ausländerkinder hat. Diesen Zusammenhang machte auch Hans Ulrich Stöckling, Direktor der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), als er Ende 2004 darauf hinwies, dass die Einwanderung den Level der Bildung in der Schweiz gesenkt habe.

Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache, zumindest in Littau: Die Prüfungsergebnisse im Fluhmühle-Schulhaus sind nicht schlechter als der Schnitt der Region. Auch wenn mehr als zwei Drittel der 300 Schülerinnen und Schüler ausländische Eltern haben, die aus 21 verschiedenen Ländern stammen.

Früchte der Bemühungen

Vier aus der Klasse 5B werden es diesmal in die Kantonsschule schaffen, die den begabten Kindern offen steht, schätzt Lehrerin Cilla Schläfli. Normalerweise sind es zwei Kinder pro Klasse.

Schläfli führt das auf eine erfolgreiche Integration zurück: “Entscheidend ist das Erlernen der deutschen Sprache und der hiesigen Regeln. Das hat selten so gut funktioniert wie an dieser Schule.”

Das kommt nicht von ungefähr: Die Schule wurde jüngst vom Kanton ausgezeichnet, für ihre besonderen Bemühungen im Sprachunterricht. Im Unterschied zu den meisten anderen Primarschulen erfolgen die Lektionen im Fluhmühle-Schulhaus auf Hochdeutsch. Dafür sind nicht weniger als drei Lehrkräfte angestellt.

Harter Start

Neuankömmlinge aus dem Ausland müssen einen Intensivkurs besuchen, das sind sechs Sprachlektionen in der Woche. Die Deutschlehrer stehen den ABC-Schützen auch in anderen Lektionen zur Seite, wenn diese Verständnisfragen haben.

Der zwölfjährige Byan Marabu aus Kenya und Lendita Rexhepi aus Kosovo kamen erst kürzlich in der Schweiz an. Beiden bereitet die neue Sprache einige Schwierigkeiten, aber sie schätzen die Unterstützung, die sie nicht nur von Lehrerseite, sondern auch von den Klassenkameraden erhalten.

Von den 21 Schülern der Klasse 5B sind haben nur drei Schweizer Eltern. Das habe auch Vorteile, findet Cilla Schläfli. “Die Kinder sind für alles offen. Sie lernen automatisch andere Sprachen und Kulturen kennen, und sie sind toleranter.”

Schule fürs Leben

Kinder aus ärmeren Immigranten-Familien würden sich auch mehr Mühe geben als ihre Schweizer Kameraden, beobachtet die Lehrerin weiter. “Sie haben begriffen, dass sie mit der Bildung eine Chance erhalten, im Leben etwas zu erreichen.”

Die Klasse 5B hat sich ihre eigenen Regeln gegeben, und diese werden auch eingehalten. Neben dem Hochdeutsch als Unterrichtssprache gehört dazu auch das Verbot von Gewalt, das Gebot zu gegenseitigem Respekt und Hilfe. Auch Diebstahl ist strikte verboten.

Einheitliches Muster

Falls es doch zu Konflikten kommt, gibt es ein einheitliches Szenario, wie Lehrer reagieren sollen. “Das hilft enorm viel, Situationen zu entschärfen”, sagt Regula Kuhn. “Kommt es zum Streit, greift der Lehrer sofort ein und spricht mit den Beteiligten über die Gründe”, erklärt sie.

Stefanie Schorno von der 5B ist einmal von älteren Schülern bedroht worden. Ihr Vater, Trainer beim lokalen Fussball-Verein, hatte ein unübliches Rezept parat. “Er sagte, auf dem Fussball-Feld würde ich die Leute aus den verschiedenen Ländern besser kennen lernen, und ich hätte danach Ruhe”, erklärt Stefanie.

Es hat funktioniert. Inzwischen gilt sie als talentierte Fussballerin. Sie hat sich im Umgang mit dem Ball bei den Jungs aus aller Welt Respekt verschafft.

swissinfo, Julie Hunt in Littau
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

67% der 300 Schülerinnen und Schüler an der Primarschule Fluhmühle haben ausländische Eltern.

Diese stammen aus 21 verschiedenen Ländern.

Die Schule in Littau gewann einen Preis des Kantons Luzern für die besonderen Bemühungen für den Deutschunterricht.

Allein drei Deutschlehrer unterstützen die neu ankommenden Kinder beim Erlernen der neuen Sprache.

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