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Schweizer Programmfenster von RTL/Pro 7 wird geschlossen

Nach nur sieben Monaten Sendezeit wird das Schweizer Programmfenster der beiden deutschen Privatfernsehsender RTL und Pro 7 per sofort geschlossen. Betroffen vom Schliessungsentscheid sind 73 Mitarbeitende und einige Produktionsfirmen.

Nach nur sieben Monaten Sendezeit wird das Schweizer Programmfenster der beiden deutschen Privatfernsehsender RTL und Pro 7 per sofort geschlossen. Betroffen vom Schliessungsentscheid, der am Donnerstag (23.03.) fiel, sind 73 Mitarbeitende und einige Produktionsfirmen.

Betroffen vom Schliessungsentscheid sind 73 Mitarbeitende, etwa 14 Freischaffende und Volontäre sowie einige Produktionsfirmen, wie Moderatorin Daniela Lager am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur sda bestätigte.

Der Entscheid des Verwaltungsrates fiel am Donnerstagvormittag, die Mitarbeitenden wurden um 14.00 Uhr informiert. Den Angestellten ist ein grosszügiger Sozialplan in Aussicht gestellt worden.

Das 100-minütige Programmfenster von RTL und Pro 7 war am 16. August 1999 auf Sendung gegangen. Abgesehen von etwa der ersten halben Stunde nach 18 Uhr lagen die Marktanteile bei rund zehn Prozent. Die Nachrichten erreichten nach Angaben von Mario Aldrovandi, Chef des Programmfensters, durchschnittlich 12 Prozent.

In den ersten viereinhalb Monaten spielte der Sender nach Aldrovandi einen Verlust von acht Millionen Franken ein – bei budgetierten sechs Millionen. Der Sender ist je zu einem Viertel im Besitz der beiden deutschen Privatsender und auf Schweizer Seite der Medien Z Holding AG und Beat Curtis BC Medien Holding.

Noch vor einer Woche gab sich Aldrovandi gegenüber zuversichtlich, die Schliessung des Programmfensters verhindern zu können: Um das dramatische Absinken der Zuschauerzahlen von 25 auf 5 Prozent kurz nach 18.00 Uhr aufzufangen, hatte er ein neues Projekt ausarbeiten lassen – eine «Talk-ähnliche» Sendung, wie er sagte. Davon wollte nun der Verwaltungsrat aber nichts wissen und verweigerte seine Zustimmung.

Auch Produktionscenter TPC betroffen

Für das «tv productioncenter zürich» (tpc), eine Tochtergesellschaft von SRG SSR idéé suisse, bedeutet die Einstellung des Programmfensters eine Umsatzeinbusse von sechs Millionen pro Jahr. Mit dem Sender sei ein Fünf-Jahres-Vertrag abgeschlossen worden, sagte tpc-Geschäftsführer Roger Sidler gegenüber der sda.

Frühzeitig sei ein Ausstiegsszenario vereinbart worden, das eine Entschädigungszahlung vorsieht. Über die Höhe der Entschädigung wollte sich Sidler nicht äussern. Das verloren gehende Auftragsvolumen mache einige Prozent des Gesamtvolumens aus. Der Ausfall sei «verkraftbar, aber zu bedauern», sagte Sidler.

Medienverbände entsetzt und empört

Das Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM und der Journalistenverband SVJ sind entsetzt und empört über die «Verantwortungslosigkeit» von RTL/Pro7. Der Sender entlasse aus rein wirtschaftlichen Gründen 74 feste und 13 freie Mitarbeiter, nur weil die Zuschauerquoten nach der extrem kurzen Anlaufzeit von sechs Monaten nicht erreicht worden seien. Und dies nur gerade eine Woche, nachdem TV3 sang- und klanglos 35 Mitarbeiter vor die Tür gestellt habe.

Weitere finanzielle Mittel bereitzustellen, um dem Projekt eine Entwicklungschance zu geben, seien die Verantwortlichen von RTL/Pro7 nicht gewillt, kritisieren sie in einer ersten Reaktion vom Donnerstag. Das Syndikat und der Schweizer Verband der Journalistinnen und Journalisten (SVJ) verlangen für die betroffenen Angestellten einen umfassenden Sozialplan. Das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) wird zudem aufgefordert, bei Konzessionsgesuchen von Privaten in Zukunft für einen gewissen Zeitraum eine Beschäftigungsgarantie zu verlangen.

Medienwissenschafter: Programm war keine Alternative

Weil es keine publizistische Alternative zu den bestehenden Sendern bot, war das Schweizer Programmfenster von RTL/Pro 7 nach Ansicht des Zürcher Medienwissenschaftlers Werner A. Meier zum Scheitern verurteilt. Man habe sich publizistisch für das Programmfenster zu wenig überlegt, erklärte Werner A. Meier vom Zürcher Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPM) am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur sda. Stets sei bloss auf die Werbung geschaut worden.

Das könne nicht ausreichen: Der Zuschauerschaft müsse etwas geboten werden, das eine Alternative zu den zahlreichen bestehenden Sendern sei.

swissinfo und Agenturen

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