Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizerin kämpft gegen Zwangsheiraten

Keystone

Die Zwangsheirat von Frauen steht erstmals auf der Agenda des Europarates. Die Grundlagen zur Diskussion erarbeitet die Zürcher Nationalrätin Rosmarie Zapfl.

Als Mitglied der Kommission für Chancengleichheit verfasst die Juristin einen Bericht zu Handen von Rat und Plenum.

“Jedes Jahr werden unzählige Frauen zwangsverheiratet, darunter viele sehr Junge. Aber alle Menschen haben das Recht, selber über ihr Leben bestimmen zu können.”

Diesen Standpunkt vertrat die Zürcher Juristin Rosmarie Zapfl am Montag im belgischen Anvers, wo eine erste Anhörung zum Thema stattfand. Zwangsheiraten seien durch nichts gerechtfertigt.

Die Anhörung wurde von der Sub-Kommission gegen die Unterdrückung der Frauen organisiert. Teilgenommen haben Vertreterinnen von Organisationen, welche betroffenen Frauen Beratung und Schutz bieten, sowie Opfer selber.

“Die Anhörung erlaubt uns, die Dimension des Phänomens zu bestimmen sowie Massnahmen gegen diese Praxis aufzustellen”, erklärte Zapfl, die sich seit 40 Jahren für die Rechte der Frauen einsetzt.

Zur Klärung: Europarat und Europa-Parlament haben nichts mit der Europäischen Union (EU) zu tun. Die Schweiz ist seit 1963 Mitglied des Europarats.

Alle Länder Europas betroffen

Es ist das erste Mal, dass sich der Europarat des Themas annimmt. Zapfl – sie ist seit dem Jahr 2000 Mitglied des Europaparlaments – hofft, ihren Bericht im nächsten Juni dem Plenum vorlegen zu können.

“Es handelt sich um ein sehr gravierendes Problem, das alle Länder Europas betrifft”, unterstreicht sie. “In der Schweiz spricht man nicht darüber. Aber wenn ich etwa mit Professoren spreche, kennen alle Fälle von jungen Frauen, die zwangsverheiratet wurden.”

Offizielle Angaben für die Schweiz gibt es zwar noch keine, aber der Justizminister hat versprochen, für Zapfls Bericht Zahlen zu liefern.

Tendenz zunehmend

Die Schweizer Abgeordnete geht allgemein davon aus, dass das Phänomen zunimmt. In Frankreich beispielsweise wird die Zahl der zwangsverheirateten jungen Frauen auf 70’000 geschätzt.

Die Familien der meisten Opfer stammen aus Nordafrika oder asiatischen Ländern wie Pakistan und Sri Lanka.

Es gehe nicht darum, den Islam anzuklagen, macht Zapfl klar. “Zwangsheiraten kommen nicht nur in moslemischen Familien vor, denn der Islam schreibt nichts dergleichen vor.”

Ungenügende Gesetze

Wie diese arrangierten Heiraten bekämpfen? Zwar gibt es internationale Abkommen. Aber bisher haben nur wenige Staaten ihre Unterschrift darunter gesetzt.

“Man muss in erster Linie die öffentliche Meinung und die Behörden sensibilisieren, denn das Problem wird allgemein unterschätzt.” Nur die Personen, die sich aktiv für die Opfer engagierten und die betroffenen traumatisierten jungen Frauen selber würden das Phänomen kennen.

Prävention, Erziehung und Mediationen mit Eltern, die Zwangsheiraten für ihre Kinder einfädeln, sind die Stützpfeiler im Kampf gegen diese frauenfeindliche Praxis.

Bei der Anhörung in Anvers kristallisierte sich aber ein Punkt als entscheidend heraus: Der politische Wille, die bereits existierenden Bestimmungen gegen die Unterdrückung der Frauen in die Praxis umzusetzen, damit Zwangsheiraten künftig verhindert werden können.

“Wir müssen die Antworten in unseren Ländern suchen”, so das Fazit von Rosmarie Zapfl.

swissinfo, Barbara Speziali in Anvers
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

Rosmarie Zapfl kämpft gegen Zwangsheiraten für Frauen.

Die christlichdemokratische Nationalrätin aus dem Kanton Zürich hat die Debatte im Europarat lanciert.

Als Mitglied der Kommission für Chancengleichheit des Europa-Parlaments verfasst sie einen Bericht.

Dieser soll dem Europa-Parlament im nächsten Juni vorgelegt werden.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft