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Nationalbankgewinne sollen Altersvorsorge finanzieren

Die Nationalbank in Bern. Keystone

Der jährliche Reingewinn der Schweizerischen Nationalbank soll künftig an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) gehen - abzüglich einer Milliarde Franken, welche die Kantone erhalten sollen.

Dies fordert die Volksinitiative “Nationalbankgewinne für die AHV” (KOSA-Initiative), über die das Schweizer Stimmvolk am 24. September befindet.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) schüttet ihre Gewinne nach einem klar festgelegten Verteilschlüssel aus. Zwei Drittel an die Kantone, ein Drittel an die Eidgenossenschaft.

Bis 2012 wird ein Gewinn von 2,5 Milliarden Franken pro Jahr ausgeschüttet, wie Bund und Kantone mit der SNB vertraglich vereinbart haben.

Die Volksinitiative des linken Komitees sichere AHV (KOSA) war 2002 mit rund 116’000 gültigen Unterschriften eingereicht worden. Sie verlangt, dass diese Gewinne in Zukunft anders aufgeteilt werden.

Neuer Verteilschlüssel

Die finanzielle Lage der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Immer weniger Beitragszahlende finanzieren immer mehr ältere Menschen.

Ziel der Initiative ist es, die Renten bis weit über 2015 hinaus zu sichern, ohne dass Prämienerhöhungen nötig sein werden, betont das Initiativ-Komitee. Darum soll der Reingewinn der Nationalbank nach Abzug von einer Mrd. Franken für die Kantone an die AHV ausgeschüttet werden.

Klare Gewinner dieser Lösung wären die Kantone, die auch bei Gewinnen unter einer Mrd. Franken Geld erhielten. Der Bund würde in Zukunft leer ausgehen.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Indirekter Gegenvorschlag

Der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments sind gegen die Initiative und haben bereits 2005 einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet: Der Bundesanteil aus dem Verkauf der überschüssigen Goldreserven der Nationalbank, rund 7 Mrd. Franken, sollen der AHV zufliessen.

Bei Annahme der Initiative müsste dieses Geld gemäss dem Finanzhaushaltgesetz für den Schuldenabbau eingesetzt werden.

Der Gewinn war entstanden, weil die Nationalbank 1300 Tonnen Gold verkaufen konnte, die sie für die Geld- und Währungspolitik nicht mehr brauchte. Die etwas über 21 Mrd. Franken werden zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund verteilt.

Pro und Kontra

“Die AHV braucht mittelfristig mehr Einnahmen”, betont Hans-Jürg Fehr, Präsident der Sozialdemokratischen Partei (SP), im Gespräch mit swissinfo.

“Es gibt wenige Wege, zu mehr Einnahmen zu kommen: Man kann Mehrwertsteuer oder Lohnabzüge erhöhen. Oder man kann, wie es diese Initiative vorsieht, die Nationalbankgewinne beiziehen.”

Als reine Umverteilungsübung bezeichnet Hans Kaufmann die Initiative. Der Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist wie Fehr Mitglied der zuständigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben.

“Die Initiative basiert auf unrealistischen Annahmen bezüglich der künftigen Kapitalerträge”, erklärt er. “Man geht von 5 Prozent und mehr aus und verspricht 1 bis 2 Mrd. Franken. Das ist unrealistisch.”

Unterschiedliche Gewinnprognosen

Fehr kontert: “Die Nationalbank hat seit 1988, also sei sehr langer Zeit, jährlich im Durchschnitt 3,5 Mrd. Franken Gewinne ausgewiesen. Wir rechnen vorsichtig und sagen: Es stehen jährlich 2,5 Milliarden zur Verfügung.”

Zusätzlich verfüge die Nationalbank über eine Gewinnreserve von über 16 Mrd. Franken. “Die Argumentation der Gegner geht nicht auf, weil sie von einer falschen Gewinnprognose ausgeht.”

Kaufmann befürchtet jedoch, die Gewinne könnten nach 2012 sinken. “Wenn die AHV dann die versprochenen 1 bis 2 Milliarden nicht erhält, kann sie das nicht einfach durch Prämiensenkungen einsparen, sondern man wird dann wahrscheinlich politisch fordern, dass die Notenbank ihre Ausschüttung aufrecht erhält.”

Was sie nur durch einen Abbau der Reserven erreichen könne. “Und das würde heissen, dass sie in Notsituationen nicht intervenieren kann.”

Volks- und Ständemehr ausschlaggebend

Weil es sich bei einer Volksinitiative immer um eine Verfassungsänderung handelt, kommt die Vorlage automatisch an die Urne. Am 24. September 2006 sind das Volks- und das Ständemehr der Kantone ausschlaggebend.

Bei Annahme der Vorlage sollen die Nationalbankgewinne gemäss Initiativtext spätestens zwei Jahre nach der Abstimmung neu aufgeteilt werden.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Schweizerische Nationalbank führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist.

Die Nationalbank verfügt über das alleinige Recht, Banknoten auszugeben und setzt im Auftrag des Bundes über ihr Bankstellennetz auch die Münzen in Umlauf. Ihr Gewinn wird grob gesagt zwischen den Kantonen (2/3) und dem Bund (1/3) aufgeteilt.

Die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung ist eine Grundversicherung, die seit 1948 besteht. Sie garantiert den Existenzbedarf für Rentnerinnen und Rentner ab 65 Jahren sowie für Waisen, Witwen und Hilflose.

Sie ist obligatorisch und wird zu rund 80% von Beiträgen der Erwerbstätigen und Arbeitgeber finanziert. Den Rest übernehmen Bund und Kantone.

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