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Ohne Deutschkurs kein Aufenthalt

Integrierte Erstsprachförderung Türkisch-Deutsch im Dreirosen-Schulhaus in Basel. Keystone

Die beiden Basel projektieren ein neues Integrationsgesetz, das "fordert und fördert": Keine Aufenthaltsbewilligungen für Nicht-EU-Bürger ohne Sprachkurse und Abschlusstest.

Dies könnte der ganzen Schweiz als Modell dienen. Grundsätzlich ist man mit der Idee einverstanden, mit der Form jedoch weniger.

Für die Vergabe einer Aufenthaltsbewilligung wollen die beiden Basel künftig Sprach- oder Integrationskurse fordern. Dafür fördern sie dafür die Chancengleichheit der Migranten.

Dies sieht der Mitte Woche vorgestellte Entwurf eines Integrationsgesetzes vor. Die Vorlage ist aktuell und passt in die Entwicklung der Integrations-Bemühungen des Bundes.

Fördern und Fordern

Das gemeinsame Integrationgesetz beider Basel folge dem Prinzip von “fördern und fordern, geben und nehmen”, sagt Jörg Schild, der baselstädtische Polizeidirektor. Das werde erstmals in einem kantonalen Gesetz fest geschrieben.

Heute kämen viel mehr Leute als früher wegen anderem als der Arbeit ins Land, etwa als Familiennachzug, sagte die Baselbieter Justizdirektorin, Sabine Pegoraro.

Darum sei die Integrations-Politik neu auszurichten. “Speziell für Frauen und Hausfrauen ist es wichtig, die Sprache zu lernen, weil sie mit der Schule in Kontakt kommen, die ihre Kinder besuchen. Die Lehrer müssen auch mit den Müttern sprechen können, nicht nur mit den Vätern”, sagt Pegoraro gegenüber swissinfo.

Was die Finanzierung betrifft, so Pegoraro, sollen die Ausländer die Kurse auch weiterhin selber bezahlen. “Sie sind nicht teuer, und in extremen Fällen können wir über die Kosten sprechen, wie dies heute schon der Fall ist.”

Diesen Januar hatte Ostermundigen, eine Gemeinde bei Bern, von sich reden gemacht, als sie schriftliche Sprachtests für Ausländer einführte: Nur fordert dies Ostermundigen von Einbürgerungs-Kandidaten, während die beiden Basel bereits Aufenthalter anzielen.

Für Nicht-EU-Ausländer

Die in Basel vorgeschlagenen neuen Massnahmen betreffen Immigranten der Aufenthaltsbewilligung Typ B, also nicht EU-Bürger und Asylbewerber.

Ausgenommen sind Personen mit gesetzlichem Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung. In der Regel ist diese Bewilligung auf ein Jahr befristet, wird aber verlängert, wenn gegen die Person nichts vorliegt.

Die Anzahl ausgestellter B-Bewilligungen richtet sich nach dem Arbeitsmarkt. Laut dem Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann sind “Parallel-Gesellschaften” mit separaten sozialen Regen zu verhindern.

Die Stadt Basel zählt mit einem Anteil von 20% überdurchschnittlich viele Ausländer – in Kleinbasel ist die Hälfte der Bevölkerung ausländisch. Die Gemeinde Ostermundigen bei Bern hat einen Ausländeranteil von 22%.

Bund begrüsst Basler Vorschlag

Schon im bestehenden Bundesgesetz über Ausländerinnnen und Ausländer (AuG) gibt es die Möglichkeit, an eine Aufenthaltsbewilligung Bedingungen zu knüpfen.

Das Bundesamt für Zuwanderung, Integration und Auswanderung (IMES) begrüsst das von den beiden Basel vorgeschlagene Integrations-Gesetz.

Der Gesetzesentwurf decke sich inhaltlich in den wesentlichen Punkten mit dem Integrationskapitel des neuen AuG, sagt IMES-Sprecher Mario Tuor. Das AuG befindet sich derzeit in der parlamentarischen Beratung.

Er gehe nicht davon aus, dass Sprachkurse mit dem neuen Gesetz allgemein für verbindlich erklärt würden. Bisher verfügen erst die Kantone Neuenburg (seit 1996) und Genf (seit 2001) über ein Integrations-Gesetz.

Romandie mit anderen Voraussetzungen

“Wie wird man diese Bedingung im Alltag durchsetzen?”, fragt sich Thomas Facchinetti, Verantwortlicher für Ausländerfragen in Neuenburg. “Wird man auch einem höheren Kaderangestellten in der Chemiebranche Deutschkurse aufzwingen wollen?”

“In Neuenburg stellen wir fest”, so Facchinetti gegenüber swissinfo, “dass die Ausländer Französisch lernen wollen. Sie beginnen sogar damit, bevor sie hier ankommen.”

In der Romandie sprechen die Ausländer besser Französisch als in der Deutschschweiz Deutsch, wie Befragungen zeigen. “Die Leute machen mehr Fortschritte, wenn man sie motiviert, statt bedroht”, meint Facchinetti.

Eigentlich wäre es nötig

“Grundsätzlich ist es nötig, die Sprache des Ortes zu lernen, in dem man lebt”, sagt Beat Meiner, Generalsekretär der Schweizer Flüchtlingshilfe und Beobachter bei der eidgenössischen Ausländerkommission.

Der Ethnologe betont, die Sprache sei das hauptsächliche Kommunikationsmittel, ohne das man von vielem ausgeschlossen bleibe.

“Ausserdem pflanzt sich die mangelnde Sprachkompetenz auf die folgende Generation fort”, so Meiner. Kinder von Immigranten ohne Sprachkenntnisse könnten weder auf die Unterstützung noch auf die Mitarbeit ihrer Eltern in Schulsachen zählen.

“Um die Integration zu fördern, braucht es einen Mix von Motivation, Support und Zwang – wie bei unserer Schuljugend”, so Meinen. “Ohne äusseren Druck integrieren sich nur die Begabten und Supermotivierten.”

Bestehende Infrastruktur in beiden Basel

Auf ihrer Website welcome-to-basel.bs.ch erklärt die Stadt ihre Integrations-Politik: “Mit Bildungs- und Beratungsangeboten soll die Entfaltung des Potenzials der Zuziehenden gefördert werden – andererseits sollen diese ihre eigene Integration aktiv entwickeln”.

Rund ein Dutzend Institute bieten allein in Basel “Deutsch für Fremdsprachige” an.

Auch die Informationsstelle Integration des Ausländerdienstes Baselland bietet im Internet unter dem Stichwort “Deutschkurse” Dutzende von Kursen an, die oft auch an lokale und thematische Zielgruppen gerichtet sind (“Putzen Sie Deutsch?”, kostenloses “Lernen im Park”, “Deutsch für Migrantinnen” etc.)

swissinfo und Agenturen

Auch rückgekehrte Auslandschweizer werden von den Basler Massnahmen angezielt.

“Im Gegensatz zu den Migranten, von denen man Sprach- und Integrationskenntnisse fordert, fördert man dies bei Auslandschweizern”, sagt Gabrielle Keller, stv. Direktorin und Sprecherin der Auslandschweizer-Organisation ASO.

Die ASO begrüsse dies, denn “es hat sich gezeigt, dass die Auslandschweizer zwar sehr verbunden mit der Schweiz sind, jedoch viele von ihnen nach einigen Generationen die Sprache nicht mehr beherrschen”.

Baselstadt und Baselland haben einen Entwurf für ein neues Integrationsgesetz vorgestellt.
Die Vernehmlassung dauert drei Monate.
Die zehn Paragrafen sollen die Herausbildung von “Parallel-Gesellschaften” verhindern.
Das Gesetz richtet sich nicht an EU-Bürger, sondern an Migranten ausserhalb der EU.
Als Bedingung für eine Aufenthaltsbewilligung soll ein Sprachkurs besucht werden.

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