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Gas-Solidaritätsabkommen mit Deutschland nicht ohne Italien

Gasleitung in einem Tunnel
Ein Grossteil des in der Schweiz ankommenden Gases wird durch die von der Gesellschaft Transitgas betriebene Pipeline geleitet, die das Schweizer Netz mit dem italienischen, deutschen und französischen Netz verbindet. Keystone / Peter Schneider

Berlin ist nur dann bereit, ein Solidaritätsabkommen mit Bern in der Gasfrage in Betracht zu ziehen, wenn die Vereinbarung auch Rom einschliesst. Dies ist das Ergebnis eines Treffens am WEF in Davos zwischen dem neuen Schweizer Energieminister Albert Rösti und seinem deutschen Amtskollegen Robert Habeck.

Die Schweiz verfügt über keine Gasspeicher und ist daher bei den Reserven stark von den Nachbarländern abhängig, vor allem von Deutschland und Italien.

Um Versorgungsprobleme zu vermeiden, zwang die Regierung in Bern nach Ausbruch des Kriegs in der Ukraine die Unternehmen des Sektors, sich zusätzlich zu ihren normalen Gaseinkäufen Speicherkapazitäten in den Nachbarländern zu sichern, um auf eine Reserve zurückgreifen zu können.

Ohne eine Einigung auf politischer Ebene besteht jedoch die Gefahr, dass die Nachbarländer im Fall einer Verknappung ihre Gaslieferungen an die Schweiz reduzieren werden.

Deshalb versucht Bern seit Monaten, mit den Nachbarstaaten Solidaritätsabkommen zu schliessen, um in Notsituationen gegenseitige Gaslieferungen zu gewährleisten. In bestimmten sensiblen Bereichen, etwa in der Gesundheitsinfrastruktur, soll der Hahn nicht zugedreht werden können.

Das Thema stand auf der Tagesordnung der Gespräche zwischen dem Schweizer Energieminister Albert Rösti und seinem deutschen Amtskollegen Robert Habeck, die am Montag im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos stattfanden.

Deutschland ist vor allem an Italien interessiert

Aus dem Treffen ging hervor, dass Berlin ein solches Abkommen nicht ausschliesst, aber die Bedingung stellt, dass dieses Italien mit einschliesst.

Dies ist ein Kurswechsel der deutschen Behörden. Im Mai letzten Jahres hatte Deutschland bei einem Treffen in Davos zwischen der damaligen Schweizer Energieministerin Simonetta Sommaruga und Habeck Interesse an einem bilateralen Solidaritätsabkommen mit der Eidgenossenschaft bekundet.

Für Deutschland ist die Schweiz keine besonders interessante Partnerin, da sie keine Lagerstätten auf ihrem Staatsgebiet hat. Sollte es zu Problemen kommen, wäre es wahrscheinlich Deutschland, das der Schweiz helfen müsste, und nicht umgekehrt. Zudem ist Berlin nicht bereit, seiner Industrie Opfer aufzuerlegen, um einen Engpass in der Schweiz zu vermeiden.

Die wichtigste Gasleitung der Schweiz, die von der Gesellschaft Transitgas betrieben wird, verbindet das Schweizer Gasnetz mit dem von Deutschland, Frankreich und Italien.

Für die Schweiz könnte es also interessant werden, wenn der Deal auch Italien mit einschliesst. Nicht zuletzt, weil Rom in den letzten Monaten neue Bezugsquellen gefunden hat, vor allem in Aserbaidschan und Algerien.

Grafik Transitgas
swissgas.ch

“Wir haben Verständnis für das deutsche Anliegen”, sagte Bundesrat Albert Rösti, der sich bereit erklärte, einen trilateralen Dialog mit Rom aufzunehmen.

Verhandlungen mit Rom bereits angelaufen

Zwischen der Schweiz und Italien hat der Dialog bereits begonnen. Einerseits wurden Anstrengungen unternommen, um dem italienischen Nachbarn die Besonderheiten des Tessins bewusst zu machen. Der Kanton südlich der Alpen ist nämlich ausschliesslich von Gaslieferungen aus dem Nachbarstaat abhängig.

Bern begann auch, ein Solidaritätsabkommen mit Italien auszuhandeln. Die Verhandlungen wurden jedoch nach dem Rücktritt der Draghi-Regierung ausgesetzt.

Im November letzten Jahres teilte die Schweizer Regierung in ihrer Antwort auf eine Motion des Tessiner Abgeordneten Marco RomanoExterner Link mit: “Vor Kurzem hat das Ministerium für den ökologischen Wandel [in Rom] seine Bereitschaft signalisiert, die Verhandlungen wiederaufzunehmen.”

Und weiter: “Dasselbe Ministerium erkundigte sich ausserdem nach der Menge des von der Schweiz in Italien gelagerten Gases und deutete die Möglichkeit an, ein entsprechendes Memorandum of Understanding auszuarbeiten.”

Dialog auch zwischen Rom und Berlin

Trilaterale Verhandlungen zwischen der Schweiz, Deutschland und Italien sind jedoch möglicherweise nicht in nächster Zeit vorgesehen.

Tatsächlich sprechen Berlin und Rom seit Monaten über die Möglichkeit eines Solidaritätsabkommens. Aber bisher sind die Verhandlungen immer wieder ins Stocken geraten. Zunächst wegen des Regierungswechsels in Italien, dann wegen deutscher Entscheidungen, die Italien nicht gefielen.

Dazu gehören etwa der 200-Milliarden-Euro-Plan gegen hohe Rechnungen, den Berlin in voller Autonomie und ohne Abstimmung mit den europäischen Institutionen verabschiedet hat.

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