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«Probleme in Mali sind noch lange nicht gelöst»

Französischer Soldat auf Patrouille in Kidal, der Stadt im Norden Malis, wo am 2. November 2013 die französische Journalistin Ghislaine Dupont und ihr Kollege Claude Verlon entführt und dann ermordet wurden. Sie hatten für Radio France Internationale (RFI) gearbeitet. Keystone

Didier Berberat, der neue Schweizer Sondergesandte in der Sahelzone, erzählt über seine erste Mission in Mali, die mit der Ermordung von zwei französischen Journalisten in Kidal zusammen fiel. Der Parlamentarier erklärt darin das Engagement der Schweiz, das vor Ort auch Kritik ausgelöst hat.

Mit Berberat vertritt nun ein eidgenössischer Parlamentarier die Schweiz im internationalen Begleit- und Evaluationsausschuss, der im Rahmen der Bemühungen zur Beilegung der Krise in Mali geschaffen wurde.

Der Neuenburger Ständerat war im Oktober zum Nachfolger des bisherigen Sondergesandten, Botschafter Gérard Stoudmann, ernannt worden. Vom 3. bis 10. November reiste er nach Burkina Faso und Mali, wo die Schweiz ihre Mediationsbemühungen weiterführt.

Keystone

swissinfo.ch: Die Ermordung der zwei französischen Journalisten von Radio France International (RFI) in Kidal hat gezeigt, dass der Norden Malis weit davon entfernt ist, befriedet zu sein. Kann man in einem derart volatilen Kontext wirklich für den Frieden arbeiten?

Didier Berberat: Dieses tragische Ereignis kam natürlich bei den Treffen, die ich bei meiner Reise nach Burkina Faso und Mali mit Ministern und anderen Verantwortlichen führte, zur Sprache. Alle sind sich bewusst, dass die Probleme noch längst nicht geregelt sind. Die Lösung dieser Krise wird Zeit brauchen.

Die Schweiz setzt sich gezielt für die Suche nach einer dauerhaften Lösung der Krise in Mali ein. Sie kümmert sich darum, dass die grundsätzlichen Fragen angesprochen werden, damit sich solche dramatischen Ereignisse in Zukunft nicht wiederholen werden. In dem Zusammenhang ist es unabdingbar, die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerungen zu verbessern, ihnen besseren Zugang zu Pflege und Ausbildung zu verschaffen. Wichtig ist aber auch, in dem riesigen Land die Kommunikationskanäle zu verbessern.

Der am 1. Dezember 1956 in La Chaux-de-Fonds im Neuenburger Jura geborene Didier Berberat, von Beruf Rechtsanwalt, sitzt seit 18 Jahren im Schweizer Parlament. Er ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz.

Zurzeit ist er unter anderem Präsident der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (Kleine Kammer) und der Schweizer Delegation bei der EFTA und dem Europäischen Parlament sowie Mitglied der Aussenpolitischen Kommission.

Daneben ist Berberat auch Mitglied der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie.

Jüngst wurde er vom Eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten zum Sondergesandten der Schweiz für die Sahelregion ernannt. Es handelt sich um ein Teilzeitmandat.

swissinfo.ch: Wie können Sie konkret von Nutzen sein?

D.B.: Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, diese Fragen im internationalen Begleit- und Evaluationsausschuss zu behandeln, der mit dem Abkommen geschaffen wurde, das am 18. Juni in Ouagadougou unterzeichnet wurde. Das Abkommen bekräftigte den Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien und enthält einen Plan, der das Land aus der Krise führen soll. Die Schweiz ist seit fast 40 Jahren in der Region präsent, sie hat freundschaftliche Bande und eine enge Zusammenarbeit mit Mali entwickelt.

Daher ist sie auch – auf Anfrage der Regierung in Bamako, der an den Verhandlungen beteiligten bewaffneten Gruppen, aber auch der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) und unter Ägide der UNO – seit Januar 2012 engagiert im Prozess für eine friedliche Lösung der Mali-Krise.

Auf einer persönlicheren Ebene verfüge ich in dieser Region über Netzwerke, vor allem aufgrund meiner Aktivitäten im Rahmen der Parlamentarischen Versammlung der Frankophonie. Indem es einen Parlamentarier für diese Mission ernannte, hat das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten gegenüber unseren Partnern auch die Bedeutung unterstrichen, die es einer friedlichen Lösung des Konflikts in Mali beimisst.

Mali ist seit 1977 ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. 2012 betrug die Unterstützung der Schweiz für das westafrikanische Land 20 Mio. Franken, im Zentrum der Aktivitäten standen die Verbesserung der Ernährungssicherheit, Schul- und Berufsbildung sowie Lokalverwaltung.

Nach dem islamistischen Aufstand von 2012 im Norden des Landes konzentrierte die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ihre Aktivitäten auf die Region von Sikasso im Süden des Landes.

Die Schweiz war als Fazilitatorin an den Verhandlungen beteiligt, die im August 2013 in Präsidentschaftswahlen mündeten.

Zudem ist sie im internationalen Begleit- und Evaluationsausschuss vertreten, der mit dem Abkommen von Ouagadougou geschaffen wurde, das im Juni von der Regierung Malis und den Tuareg-Gruppen MNLA (Mouvement national de libération de l’Azawad) HCUA (Haut conseil pour l’unité de l’Azawad) unterzeichnet worden war.

Der Ausschuss begleitet die Umsetzung des Abkommens durch die Vertragsparteien.

Im August entschied die Schweizer Regierung, im Rahmen der UNO-Mission für Mali (Minusma) bis zu acht Blaumützen zu stellen. Die unbewaffneten Militärbeobachter sollen vor allem bei der humanitären Minenräumung helfen, Blindgänger beseitigen oder Munitions- und Waffenbestände sichern.

swissinfo.ch: Vor etwas mehr als einem Jahr wurde die Schweiz von gewissen malischen Politikern heftig angegriffen. Sie warfen ihr vor, die Rebellion der Tuareg und indirekt terroristische Gruppen finanziert zu haben. Sind diese Animositäten immer noch präsent?

D.B.: Das Engagement der Schweiz ist unter Maliern generell sehr gut akzeptiert. Aber man darf das Malaise des letzten Sommers nicht einfach leugnen, als ein Teil der Presse in Mali eine virulente Kampagne gegen unser Land führte. Seither haben sich jedoch die Gemüter wieder beruhigt. Wir haben unseren Gesprächspartnern erklärt, dass es keine Voreingenommenheit gab: Die Schweiz hat nie bewaffnete Gruppen unterstützt, sie hat nur zu den Mediationsbemühungen beigetragen, die im Namen der ECOWAS und der Vereinten Nationen in Burkina Faso stattfanden.

Wenn es technische Unterstützung gab, war dies nur, um die Verhandlungen vorzubereiten und zu einem Abkommen zu gelangen, das schliesslich am 18. Juni in Ouagadougou unterzeichnet wurde, nicht zuletzt dank einem aktiven Engagement der Schweiz. Unser einziges Ziel ist es, die Rückkehr zu einem friedlichen Zusammenleben und zur Harmonie in Mali zu fördern.

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swissinfo.ch: Aber kann es denn ohne mehr Autonomie für die Tuareg überhaupt Frieden in Mali und der Region geben?

D.B.: Am Verhandlungstisch müssen natürlich die verschiedenen beteiligten Parteien Fortschritte erreichen können. Im Rahmen des Friedensprozesses müssen die unterschiedlichen bewaffneten Gruppen aus dem Norden Malis, die an den Verhandlungen teilnehmen, und nicht nur die Tuareg, ihre Forderungen zum Ausdruck bringen können. Denn nur wenn die Erwartungen der lokalen Bevölkerungen berücksichtigt werden, können dauerhafte Lösungen gefunden werden.

swissinfo.ch: Hat die Schweiz in der Mali-Krise nicht gegen ihre eigenen Vorgaben verstossen?

D.B.: Nein, diese Mediations-Bemühungen passen perfekt in den Rahmen der Politik der Friedensförderung, der humanitären und diplomatischen Tradition der Schweiz. Die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben wurden eingehalten, und die Aktion der Schweiz in Mali ist ausgewogen.

Gewisse Kreise in der Schweiz haben für das Prinzip der aktiven Diplomatie nicht viel übrig und würden es vorziehen, wenn wir uns vor allem mit internen Problemen befassen würden. Aber man kann in der globalisierten Welt von heute bei Krisen und Konflikten nicht einfach abseits stehen. Im Gegenteil, es ist wichtig, dass wir unser Wissen zur Lösung solcher Situationen zur Verfügung stellen.

swissinfo.ch: Zählt die Stimme der Schweiz angesichts der Interessen der in der Region vertretenen Grossmächte wirklich etwas?

D.B.: Die Schweiz ist ein neutrales Land, sie hat keine koloniale Vergangenheit, keine strategischen Interessen und keine geheime politische Agenda in Afrika. Das ist der Grund, wieso man uns gebeten hat, bei den Bemühungen zur Lösung dieser Krise mitzumachen. Nach dem, was mir meine Gesprächspartner erklären, ist die von der Schweiz angebotene Unterstützung sehr wichtig.

Dazu kommt, dass die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit eng mit dem aktuellen Prozess des Dialogs und der Versöhnung verbunden sind. Die Schweiz kann zum Beispiel ihre sehr wertvolle Erfahrung zum Thema Dezentralisierung einbringen, ein Element, das dazu beitragen könnte, in Mali einen Weg aus der Krise zu finden.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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