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Wer folgt auf Simonetta Sommaruga im Bundesrat?

Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider
Die Baslerin Eva Herzog (links) hat den Ruf, streng zu sein, während die Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider eher als warmherzig bezeichnet wird. © Keystone / Jean-christophe Bott

Die Baslerin Eva Herzog hat gute Chancen, am 7. Dezember Bundesrätin zu werden. Sie ist die grosse Favoritin im Rennen um die Nachfolge der abtretenden SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Ihre ähnlich erfahrene Westschweizer Rivalin Elisabeth Baume-Schneider sollte man aber nicht abschreiben.

Auf dem Ticket der Sozialdemokrat:innen für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga befinden sich zwei Ständerätinnen, die viele Ähnlichkeiten aufweisen.

Die 60-jährige Baslerin Eva Herzog und die 58-jährige Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider sind beide langjährige Politikerinnen, die in der Exekutive ihres Kantons viel Erfahrung gesammelt haben.

Herzog wurde am Weihnachtstag und Baume-Schneider am Heiligabend geboren. Beide sind Mütter von zwei erwachsenen Kindern und Feministinnen. Und ihre Kompetenzen werden über die Parteigrenze hinaus gelobt.

Gegensätzlich sind hingegen ihre Persönlichkeiten. Die eine vertritt den rechten Flügel der Partei, die andere den linken. Vor allem aber ist die eine Deutschschweizerin und die andere Westschweizerin. Diese Unterschiede werden den Ausschlag geben, wenn das Parlament am 7. Dezember eine der beiden Kandidatinnen in den Bundesrat wählt.

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Die Favoritin: Eva Herzog

Inmitten der Vorzimmer-Hektik des Ständerats hat Eva Herzog den Kopf über Akten gebeugt. Sie ist ganz in ihre Arbeit vertieft. Das Bild passt perfekt zum Ruf der strengen Arbeiterin, den sich die Baslerin erworben hat.

Eine Eigenschaft, die sogar von ihren politischen Gegner:innen gelobt wird. Philippe Bauer, Freisinniger Ständerat, findet, dass sie “sehr gute Arbeit” leiste. “Sie hat immer Strenge bewiesen, besonders in finanziellen Fragen, und ich glaube, der Bundeshaushalt braucht sie”, sagt er.

Herzog hatte in der Tat Gelegenheit, ihre Fähigkeiten als Schatzmeisterin in der Regierung des Kantons Basel-Stadt unter Beweis zu stellen, der sie 15 Jahre lang angehörte. Dank ihrer Finanzpolitik konnte der Kanton seine Schulden abbauen, hohe Überschüsse anhäufen und die Steuern senken.

Diese Leistung hat ihr die Sympathien der Rechten eingebracht. Sie scheut auch nicht davor zurück, bei bestimmten Themen von der Parteilinie abzuweichen. Wie zum Beispiel, als sie die später abgelehnte Unternehmenssteuerreform III verteidigte.

Es war eine Abweichung, die ihr Kritik aus dem eigenen Lager eintrug, von wo ihr oft ihre Nähe zur Basler Pharmaindustrie vorgeworfen wird. “Ich besitze keine Aktien von diesen Unternehmen und sitze auch nicht in deren Verwaltungsrat. Wenn ich als Finanzdirektorin von Basel-Stadt keine Kontakte zu diesem Sektor gehabt hätte, hätte ich meinen Job schlecht gemacht”, rechtfertigte sich Herzog einmal in einem Interview mit der Waadtländer Tageszeitung “24heures”.

Eva Herzog
Als sie Regierungsrätin von Basel-Stadt war, brachte Eva Herzog, hier bei der Präsentation der Jahresrechnung 2017, die Kantonsfinanzen geschickt in Ordnung. Keystone

Ihre Positionierung am rechten Rand der SP scheint sie zur idealen Kandidatin bürgerlicher Abgeordneter zu machen, die im Parlament die Mehrheit stellen. Der jurassische Mitte-Parlamentarier Charles Juillard schränkt jedoch ein: “Mit der Unternehmenssteuerreform III hat sie vor allem die Interessen ihres Kantons verteidigt. Es handelt sich um eine pragmatische und nicht um eine ideologische Position.”

Die politische Karriere von Eva Herzog verläuft fast reibungslos. Einziger Wermutstropfen: 2010 scheiterte ihre erste Bundesratskandidatur als Nachfolgerin von Moritz Leuenberger. Sie wurde von ihrer Fraktion nicht für das sozialdemokratische Ticket ausgewählt. Gewählt wurde schliesslich Simonetta Sommaruga.

Heute ist die Ausgangslage anders. Nicht nur verfügt sie nun über viele Jahre Erfahrung, sondern auch ihre Herkunft in der Deutschschweiz spricht für sie, da bereits zwei Französischsprachige in der Regierung sitzen. Zudem würde ihre Wahl dem wirtschaftlich starken Kanton Basel-Stadt nach 50 Jahren wieder einen Sitz im Bundesrat bescheren.

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Die Baslerin will ihre Erfahrung in einer grenzüberschreitenden Region auch dazu nutzen, die Beziehungen der Schweiz zu Europa zu verbessern. Ein Dossier, das in ihren Augen Priorität hat. “Unsere Beziehung zu Europa muss geklärt werden, so schnell wie möglich”, sagte sie den Zeitungen von Tamedia.

Während ihre Professionalität Bewunderung hervorruft, gilt ihre Persönlichkeit als nicht besonders vereinnahmend. “Sie kann spröde sein, ein wenig hochmütig im Umgang mit den Menschen”, sagt Juillard. Er fügt jedoch hinzu: “Das braucht es aber auch, um eine gute Magistratin zu sein. Dieser Beruf erfordert Charakter.”

Ihre Beziehungen zu den Medien sind manchmal angespannt. Als sie ihre Kandidatur bekanntgab, empörte sie sich darüber, dass sie eine Frage zu ihrem Alter beantworten musste.

Was die Sozialdemokratin jedoch am meisten hasst, ist die Beantwortung von Fragen zu ihrem Privatleben. Nur wenig ist bekannt. Sie lebt im Konkubinat mit Thomas Müller, einem Journalisten und Produzenten des öffentlich-rechtlichen Radiosenders SRF. Sie haben zwei erwachsene Kinder. Sie fährt in einer Frauengruppe Fahrrad. Sollte sie gewählt werden, wird die Baslerin wahrscheinlich etwas mehr von sich preisgeben müssen.

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Die Aussenseiterin: Elisabeth Baume-Schneider

Die Kandidatur von Elisabeth Baume-Schneider begeistert die Westschweiz und besonders den Kanton Jura, der damit zum ersten Mal im Bundesrat vertreten sein könnte. Ihre Chancen auf einen Platz in der Landesregierung sind jedoch eher gering.

Die Jurassierin ist mit einem grossen Handicap in das Bundesratsrennen gegangen, nämlich dass sie aus dem französischsprachigen Teil des Landes stammt. Sollte sie gewählt werden, würden die Deutschsprachigen, die 62% der Bevölkerung ausmachen, in der Regierung zur Minderheit werden.

“Die gerechte Vertretung der Regionen wäre nicht mehr gewährleistet, und das ist für mich ein Problem”, sagt der Freisinnige Ständerat Philippe Bauer. Seine Partei vertritt die Ansicht, dass die Wahl einer Romande gegen Artikel 175 der Verfassung verstossen würde. Dieser besagt, dass die verschiedenen Regionen und Sprachgemeinschaften im Bundesrat angemessen vertreten sein müssen.

Die französischsprachige Mehrheit wäre zwar nur vorübergehend, da die 58-jährige Politikerin bereits angekündigt hat, dass sie mit Erreichen des offiziellen Rentenalters (65 Jahre) zurücktreten würde.

Sie hat sich gar selbst als “Übergangskandidatin” bezeichnet. Allein die Aussicht auf eine zwischenzeitliche Untervertretung der Deutschschweiz reichte jedoch aus, um eine Debatte über die Repräsentation der Regierungsmitglieder zu entfachen.

Es braucht allerdings mehr als eine Polemik, um Baume-Schneider zu verunsichern. Sie ist zweisprachig, spricht fliessend Deutsch und Französisch und sagt, sie wolle eine Brücke zwischen den Sprachregionen schlagen.

“Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Erfahrung und meine Wurzeln für die Schweiz von morgen nützlich sein können”, sagte sie bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur. “Wenn es im Bundesrat eine Mehrheit von Romands gäbe, hiesse das nicht, dass die Schweiz in den Bankrott rennen würde”, verteidigt der Mitte-Parlamentarier Juillard, auch er aus dem Jura, die Kandidatur.

Anders als ihre Herkunft werden die Kompetenzen von Baume-Schneider weitherum positiv bewertet. “Ich kenne sie gut und bin überzeugt, dass sie eine gute Bundesrätin abgeben würde”, sagt Bauer.

Baume-Schneider kann auf eine lange Erfahrung in einer Exekutive zurückblicken: Sie war 13 Jahre lang Mitglied der Regierung des Kantons Jura. Die Bilanz dieser Zeit lässt ihre Affinität zum deutschsprachigen Teil der Schweiz erkennen: Sie trug zur Neuorientierung ihres Kantons in Richtung Basel bei und führte eine zweisprachige gymnasiale Matura ein.

Elisabeth Baume-Schneider
Elisabeth Baume-Schneider bei ihrer Wahl in die jurassische Regierung im November 2002, begleitet von einem ihrer Söhne. Keystone / Roger Meier

Elisabeth Baume-Schneider hat gegenüber ihrer Konkurrentin zumindest einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie gilt als warmherzig und zugänglich und verfügt über einen grossen Sympathiewert. “Ihre Persönlichkeit ist ein Vorteil. Es ist einfacher, Lösungen zu finden, wenn man fröhlich ist, als wenn man streng ist”, meint Juillard.

Die Jurassierin macht ihre Nähe zu den Menschen auch zu ihrem Programm: Sie will die Randregionen und die Vielfalt vertreten. Als feministische Aktivistin sorgte sie einst für Aufsehen, als sie im jurassischen Parlament einen ihrer Söhne stillte. Auf ihrer Website gibt sie als Motto an: “Das Gemeinwohl in den Vordergrund stellen.” In einem Interview mit “24heures” sagte sie: “Ich bin und bleibe eine Frau der Basis.”

Diese Aussagen spiegeln ihre Positionierung wider: Sie vertritt den linken Flügel der SP. Als junge Studentin war sie sogar in der “Ligue marxiste révolutionnaire” aktiv. Heute will sie keine Revolution mehr machen, aber sie steht zu ihrer Vergangenheit. “Das zeigt, dass mein Hintergrund eher humanistisch ist”, sagte sie gegenüber der Presse.

Ihr soziales Profil wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um ihre Konkurrentin vom Thron zu stossen. Auch wenn die Bauerntochter die Unterstützung der Bauernlobby im Parlament erhalten hat, stehen die deutschsprachigen Abgeordneten ihrer Kandidatur insgesamt skeptisch gegenüber. In der deutschsprachigen Schweiz war sie eine Unbekannte, bevor sie das Rennen um die Regierung machte. Die Wochenzeitung titelte: “Elisabeth wer?”.

Wie funktioniert die Bundesratswahl?

In der Schweiz besteht die Regierung aus sieben Mitgliedern, die den Bundesrat bilden. Die Ministerinnen und Minister, die sogenannten Bundesräte und Bundesrätinnen, werden von der Bundesversammlung gewählt, also von den beiden Kammern des Parlaments. Die Wahl erfolgt in geheimen Abstimmungen über mehrere Runden, bis eine Person die absolute Mehrheit der Stimmen erhält.

Die Wahl findet alle vier Jahre im Dezember statt. Wenn ein Bundesrat oder eine Bundesrätin zurücktritt, wird eine Ersatzwahl durchgeführt. Um gewählt zu werden, muss man lediglich die Schweizer Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht besitzen. Es ist nicht erforderlich, dass man sich zur Wahl aufstellen lässt oder Mitglied des Parlaments ist.

Alle politischen Gruppierungen können Kandidaten oder Kandidatinnen vorschlagen. Häufig tun dies jedoch nur die Parteien der Zurückgetretenen. Seit 1959 haben die vier grossen Parteien die Regierungssitze entsprechend ihrer Stärke untereinander aufgeteilt. Dies wird als “Zauberformel” bezeichnet.

Derzeit haben die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Sozialdemokraten (SP) und die Freisinnigen (FDP) je zwei Sitze, während die Mitte nur über einen Sitz verfügt.

 Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger

Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger

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