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Schweizer Alpenfee als Deutschlands neuster Music Star

Karrierestart oder einfach TV-Party? Stefanie Heinzmann mit Fan Stefan Raab (2.v.li.). Keystone

Sie ist 18-jährig, kommt aus dem Kanton Wallis und verzückt momentan mit ihrer Stimme die Musikfans in Deutschland und der Schweiz: Stefanie Heinzmann.

Ob der Sieg der Handels-Gymnasiastin im Song-Wettbewerb des deutschen TV-Komikers Stefan Raab der Start zu einer internationalen Karriere ist, steht in den Sternen.

Fernseh-Stationen in aller Welt produzieren sie am Laufmeter: So genannte Music Stars – junge Menschen, die von einer Karriere in der Welt der Musik und des Showbusiness träumen.

Ihr Gütesiegel: Mit ihren Darbietungen stachen sie in der Publikumsgunst, “beraten” von einer mehr oder minder kompetenten Jury, ihre Konkurrenten aus. Diese verabschiedeten sich meist unter Tränen von Fans und Karrieretraum.

Der jüngste Stern an diesem globalen Himmel voller Träume von Ruhm und Glamour ist Stefanie Heinzmann. Ihre grosse Präsenz in deutschsprachigen Zeitungen und im Internet steht im krassen Gegensatz zu ihrem bisherigen Leben.

“Ich bin doch total langweilig, sitze nur zuhause und lese Bücher. Und jetzt so was!”, sagte die Handelsschülerin aus dem kleinen Dorf Eyholz nach ihrem Coup vom letzten Freitagabend.

Mehr als ein TV-Ulk?

Dieser bestand im Sieg des Gesangswettbewerbs, den der deutsche Fernseh-Veräppler Stefan Raab auf dem privaten deutschen TV-Kanal ProSieben unter dem unsäglichen Namen “SSDSDSSWEMUGABRTLAD” veranstaltete.

Die Abkürzung steht für “Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gern auch bei RTL auftreten darf”. Damit nimmt Raab die Konkurrenz auf die Schippe. RTL kämpft mit dem Format “DSDS” um Publikumsgunst und alles entscheidende Marktanteile. Dahinter verbirgt sich die Jekami-Show “Deutschland sucht den Superstar”, die bisher nur stromlinienförmige Retortensänger als Sieger hervorbrachte. Und diese zudem vertraglich an die Station knebelt.

Ob Stefanie Heinzelmann den Sprung aus dem katholisch-konservativen Oberwallis ins grelle Licht der internationalen Musikszene schafft, ist nirgends garantiert. Immerhin hat die zierliche Person mit der mächtigen Soulstimme – ihr Markenzeichen sind Rosenkranz um den Hals, Fräuleinbrille und Lippen-Piercing – laut dem ehemaligen Schweizer MusicStar-Juror Chris von Rohr gute Erfolgschancen. Aber solche hatte der selbsternannte Schweizer Rockpapst auch schon anderen attestiert.

Verkaufs-Renner

In Richtung – zumindest kurzfristigen – Erfolg deuten die Download-Zahlen von Heinzmanns Sieges-Song. In der Schweizer Hitparade der im Internet verkauften Stücke liegt “My man is a mean man” an der Spitze, im wichtigeren deutschen Markt auf Rang drei.

Zweifel an der Nachhaltigkeit eines solchen Contest-Erfolges sind mehr als angebracht. Bisher verschwanden alle MusicStars des Schweizer Fernsehens nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung, aus der sie aufzusteigen hofften.

Carmen Fenk, die Nummer 1 der MusicStars Made in Switzerland, moderiert wieder Sendungen eines Privatradios. Singen tut sie noch in einem Gospelchor, der auch schon mal gratis konzertiert.

Salome Clausen, MusicStar Nummer 2, vertauschte das Mikrophon rasch wieder mit Schere und Kamm und kehrte zum Brotberuf als Haarschneiderin im heimischen Wallis zurück, statt in Zürich auf den Durchbruch zu hoffen.

Verlierer bisher einziger Gewinner

Diesen Traum hat Fabienne Louves, die Siegerin von 2007, noch nicht aufgegeben. Die dunkelhäutige Luzernerin landete danach erst einen Duett-Hit mit dem Schweizer Sänger Marc Sway, bevor sie “Hemmigslos liebe” an einer Party nach der Zürcher Street Parade vor 13’000 Zuschauern zum Besten geben konnte – als bisherigen Karriere-Höhepunkt.

Dem Erfolg am nächsten ist bisher Baschi mit seinen weichgespülten Mundart-Songs gekommen. Obwohl er den Sieg im Schweizer Format verpasst hat, landete der Basler mit seiner Schweizer Hymne zur Fussball-WM 2006 einen Hit: “Bring en hei” verkaufte sich rund 40’000 mal und hielt sich 37 Wochen in den Schweizer Charts.

Kandlbauer tourt vorwiegend in seiner Heimat rund um Grindelwald am Fusse des Eigers. Secondo Piero Esteriore versuchte seinerseits, seine neue CD mit einer Ramm-Attacke auf den Sitz der Boulevard-Zeitung “Blick” in der Stadt Zürich zu promoten – ohne Erfolg. Beim Mercedes, den er in die Glastüre steuerte, handelte es sich übrigens um den Wagen seiner Mutter.

Beide, der Berner Oberländer und der gebürtige Italiener, hatten die Kür zum MusicStar jeweils knapp verpasst, sind aber von ihrem Potenzial überzeugt.

Cash-Cow mit abnehmender Leistung

Formate wie MusicStar sind bis heute Traumfabriken geblieben. Wer in den Vorausscheidungen und ersten Runden auf der Strecke bleibt, gibt sich nicht selten der Lächerlichkeit preis, ob bewusst oder unbewusst. Wer es in die Schlussrunde oder gar bis zuoberst aufs Podest schafft, ist sich zumindest eines kurzfristigen Hypes in der Öffentlichkeit sicher – mehr nicht.

Eines ist MusicStar aber dennoch: eine Geldmaschine. Über Weiterkommen und Gewinn entscheiden nämlich die Fernsehzuschauer per Telefonanruf oder SMS, die beide 70 Rappen kosten. 30 Rappen streicht die Swisscom ein, 35 Rappen das Schweizer Fernsehen (SF).

Bei der ersten Staffel machte SF so rund vier, bei der zweiten noch eine Million Franken vorwärts. 2007 kamen weitere zwei Millionen Franken durch Sponsoring und Lizenzgebühren herein.

Angesichts der sinkenden Einnahmen scheint die MusicStar-Kuh gemolken. Das braucht aber echte Schweizer Talente nicht zu kümmern. Wer die Stimme hat, dazu Persönlichkeit, und obendrein noch eine authentische Geschichte erzählt, kann es zum Star schaffen, und diesen Status halten. Zumindest in der Schweiz. So wie Sina. Auch sie kommt aus dem Oberwallis.

swissinfo, Renat Künzi

Castingshows waren in den letzten Jahren Quotenrenner für private und öffentlich-rechtliche TV-Sender.

Darin werden Sänger, Tänzer, Models, Abenteurer, Karrieristen etc. gesucht und gekürt.

Die Talentschauen haben den Charakter von Traumfabriken, die kaum Karrieren lancieren, dafür auch dank lächerlichen Darbietungen und emotionalen Ausbrüchen das Publikum unterhalten.

Garantierte Sieger sind die TV-Sender sowie Kommunikations-Unternehmen: Die Zuschauer bestimmen per Telefonanruf und SMS für 70 Rappen, wer im Rennen bleibt und schliesslich gewinnt.

Das Format MusicStar von Schweizer Fernsehen (SF) sah sich 2005 mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Bei der zweiten Staffel hatte ein Telefoncomputer-Betreiber angeboten, für 1.15 Franken pro Anruf bis zu 60’000 Stimmen auf einen einzigen Kandidaten zu setzen.

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