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E-Voting in der Schweiz: Bevölkerungsreiche Kantone wie Zürich und Bern spielen Schlüsselrolle

Büchlein mit den Informationen zur Abstimmung neben einem Laptop
Keystone

Der Kanton Graubünden ist der vierte Schweizer Kanton, der beim Test des E-Votings mitmacht. Weitere müssten folgen, damit es sich rentiert. Doch was braucht es genau für die langfristige Finanzierung des Systems? Und wie lange dauert der Testbetrieb? Noch ist vieles offen.

Am 3. März stimmt die Schweiz über zwei AHV-Initiativen ab. Für fünf Gemeinden im Kanton Graubünden ist es eine spezielle Abstimmung: Sie machen zum ersten Mal beim E-Voting-Pilotversuch mit.

In den Gemeinden Domat/Ems, Lumnezia, Pontresina, Poschiavo und Safiental beheimatete Auslandschweizer:innen können mit allen anderen Stimmberechtigten elektronisch abstimmen. Für die kommende Abstimmung hat Graubünden die Zulassung von rund 12’000 Stimmberechtigten beantragt.

Zusammen mit den Kantonen Basel-Stadt, St. Gallen und Thurgau können am 3. März 77’000 Personen online abstimmen, das sind ungefähr 1,4% aller Schweizer Stimmberechtigten, wie die Bundeskanzlei mitteilt.

Der Kanton Graubünden plant, für die Abstimmung vom 9. Juni 2024 auch die Gemeinde Landquart dazu zunehmen und nach der Pilotphase von diesem Jahr den E-Voting-Versuch 2025 auf weitere Gemeinden auszudehnen, wie ein Sprecher der Staatskanzlei Graubünden auf Anfrage von SWI swissinfo.ch sagt.

Auch ein Zugang zu E-Voting garantiert nicht immer, dass man aus dem Ausland abstimmen kann:

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Wann ist das System rentabel?

Und es sollen weitere Kantone folgen. Der Kanton Genf wolle auch E-Voting testen, sagte Ariane Rustichelli, Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO) in unserer Sendung Let’s Talk zum Thema E-Voting. Und ein weiterer Deutschschweizer Kanton, möglicherweise Bern, sei ebenfalls in der Pipeline.

Auf Anfrage sagt die Bundeskanzlei, es lägen keine weiteren Gesuche vor. Das Fachportal Inside-IT berichteteExterner Link aber kürzlich, dass Bern dafür bereits 1,9 Millionen Franken berechnet hat.

Die Anzahl der Kantone, die am E-Voting-Versuch teilnehmen, ist wesentlich für die Finanzierung und somit für den Erfolg des Projekts.

“Ab zehn Kantonen lohnt es sich für die Post”, sagte Inside-IT-Chefredaktor Reto Vogt in der SWI-Debatte “Let’s Talk”. Und es müssten mehrere bevölkerungsreiche Kantone dabei sein.

Die Post will sich auf diese konkrete Zahl indes nicht festlegen lassen. “Natürlich hängen die Einnahmen der Post mit E-Voting davon ab, wie viele Kantone das System einsetzen”, sagt eine Sprecherin.

Auch die Anzahl der zugelassenen Stimmberechtigten sowie Urnengänge mit E-Voting pro Jahr spielen eine Rolle. Doch wie viele es sein müssten, teilt die Post nicht mit der Öffentlichkeit.

In einer Antwort auf eine Interpellation des Genfer Nationalrats Carlo Sommaruga (SP)Externer Link antwortet der Bundesrat, dass mit der erfolgreichen Wiederaufnahme des Versuchsbetriebs ein Fundament gelegt werden konnte.

“Davon versprechen sich die am Projekt beteiligten Kantone wie auch der Bund eine positive Dynamik und dass weitere Kantone Versuche durchführen und zum Erfahrungsschatz beitragen.”

Kanton Zürich wartet zu

Beobachter:innen gehen davon aus, dass die Beteiligung des Kantons Zürich entscheidend sein wird. Dort scheint aber noch alles offen.

In einem Regierungsratsbeschluss aus dem Jahr 2022 ist festgehalten, dass ein möglicher künftiger flächendeckender Einsatz von E-Voting im Kanton Zürich eine Anpassung der bundesrechtlichen und der kantonalen Rechtsgrundlagen voraussetzt. Der Kanton sehe aber nach drei Pilotphasen keinen weiteren Bedarf für zusätzliche Versuchsbetriebe.

“Im Moment liegt im Kanton Zürich kein politischer Auftrag für eine Wiedereinführung von E-Voting vor”, sagt Stephan Ziegler, Leiter Wahlen und Abstimmungen des Kantons.

Ungewiss bleibt für die Öffentlichkeit auch, welche Ziele sich Bund und Post mit welcher Frist gesetzt haben, um beim Testbetrieb von einem Erfolg zu sprechen. Das wäre Voraussetzung für einen nächsten Schritt, um E-Voting in der Schweiz definitiv zu etablieren. Der Bund kommunizierte lediglich, dass er Erfahrungen sammeln wolle – ein schwer messbares Ziel.

“Es bedarf einer längeren Phase mit Versuchen”, sagt ein Sprecher der Bundeskanzlei. Danach sollen wissenschaftliche Auswertungen durchgeführt werden, um herauszufinden, welche Auswirkungen der Pilotversuch auf Partizipation, Vertrauen und Akzeptanz hatte.

Eine flächendeckende Einführung von E-Voting würde das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen, sagt der Sprecher weiter. Dazu braucht es die Zustimmung des Parlaments und – im Falle eines Referendums – des Volks. Aussagen darüber, wann es so weit sein könnte, sei aktuell nicht möglich.

Bildschirm mit Anmeldeseite für E-Voting
Während die Kantone viel Spielraum haben, verläuft der E-Voting-Testbetrieb für den Bund in engeren Grenzen: 30% des kantonalen und 10% des schweizweiten Elektorats dürfen E-Voting nutzen. Keystone

Die Finanzierung ist neben dem Datenschutz und der Datensicherheit die grösste Hürde für E-Voting. Die Kosten für jeden Kanton setzen sich aus einer Grundgebühr für die Nutzung und den Betrieb des Systems zusammen.

Dazu kommen die variablen Kosten, sagt die Sprecherin der Post. Diese werden anhand der Anzahl aller Stimmberechtigten eines Kantons und dem Anteil derjenigen, die E-Voting nutzen können, berechnet. Genaue Zahlen kommuniziert die Post auch hier nicht.

IT-Spezialist Vogt jedoch vermutet, dass zur Zeit jede:r Auslandschweizer:in in die Schweiz eingeflogen werden könnte, um die Stimme persönlich an der Urne abzugeben. Es würde günstiger kommen als das E-Voting-System, das momentan in Gebrauch ist.

Kantone bestimmen, wer teilnehmen darf

Haben die Kantone vom Bund die Bewilligung für E-Voting erhalten, können sie bestimmen, welche Stimmberechtigte beim E-Voting teilnehmen dürfen. Denn sie machen die Wahlgesetze und nicht der Bund.

Dies handhaben sie unterschiedlich, so haben in Basel-Stadt Auslandschweizer:innen und Menschen mit Beeinträchtigungen Zugang, im Kanton Thurgau nur Auslandschweizer:innen, in den Kantonen St Gallen und Graubünden dagegen können alle Stimmberechtigte in den zugelassenen Pilotgemeinden mitmachen.

Lesen Sie hier, wie das Abstimmen via E-Voting funktioniert:

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“Uns war wichtig, dass alle Sprachregionen des Kantons berücksichtigt wurden”, sagt der Sprecher der Staatskanzlei Graubünden. Und es seien bewusst Gemeinden mit unterschiedlichen Strukturen und Grössen ausgewählt worden.

Aus den fünf Gemeinden für die Abstimmung vom 3. März sind bis jetzt über 900 Anmeldungen eingegangen. Von den Auslandschweizer:innen wollen 30% ihre Stimme elektronisch abgeben, das sind 52 Personen. Bei den heimischen Stimmberechtigten liegt die Quote bei 9,4%. Rückmeldungen bezüglich Bedenken zur Sicherheit sind laut der Behörde keine eingegangen.

Während die Kantone viel Spielraum haben, verläuft der E-Voting-Testbetrieb für den Bund in engeren Grenzen: 30% des kantonalen und 10% des schweizweiten Elektorats dürfen E-Voting nutzen.

Doch Auslandschweizer:innen und Menschen mit einer Beeinträchtigung werden als besondere Zielgruppe angesehen und sind bei dieser Begrenzung nicht eingerechnet.

Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen wäre auch ein E-Voting-System möglich, das nur für Auslandschweizer:innen eingerichtet wird. Eine solche Einschränkung hätte politisch – bei einer allfälligen Volksabstimmung – allenfalls bessere Chancen, da damit Risiken begrenzt würden. Gleichzeitig dürfte es in der Praxis aber an den hohen Kosten scheitern.

Editiert von Balz Rigendinger

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