Schweizer Vereine in Italien vor unsicherer Zukunft

Das 1938 in Florenz gegründete Collegamento Svizzero in Italien schreibt ein neues Kapitel : Alberto Fossati hat als neuer Präsident die Leitung der Organisation von Irène Beutler-Fauguel übernommen. Wir haben uns mit den beiden getroffen, um Bilanz zu ziehen und die kommenden Herausforderungen zu beleuchten.
Wenn es ein Gesicht gibt, das die jüngste Geschichte des Collegamento Svizzero geprägt hat, dann ist es das von Irène Beutler-Fauguel.
Die gebürtige Luzernerin und Wahl-Toskanerin übernahm 2009 als erste Frau in der Geschichte die Präsidentschaft der Schweizer Verbindung in Italien, der fast 60 Schweizer Vereine angehören, und leitete die Organisation insgesamt 14 Jahre lang.
Zunächst bis 2021, dann erneut ab 2023. Sie löste Regula Hilfiker interimistisch ab, die nach ihrer Ernennung zur Honorarkonsulin der Schweiz in Turin ihr Mandat nicht weiterführen wollte.
«Es war eine Aufgabe, die ich mit viel Enthusiasmus übernommen habe. Ich denke, ich kann eine positive Bilanz ziehen, nicht zuletzt, weil es uns gelungen ist, die Leute wieder zu den Kongressen zu bringen», sagt Beutler-Fauguel.
Am 10. und 11. Mai kamen in Lecce mehr als hundert Personen zusammen, um an der 86. Jahresversammlung des Dachverbands der verschiedenen Schweizer Clubs, Zirkel und anderer privater Organisationen in Italien teilzunehmen.
Es handelt sich dabei um eine Aufgabe, die ausschliesslich auf freiwilliger Basis ausgeübt wird. Abgesehen von einer geringen Spesenentschädigung erhalten die Vorsitzende und die Mitglieder des Gremiums keine Vergütung.
Zu den Höhepunkten ihrer Amtszeit als Präsidentin zählt Beutler-Fauguel die Mitwirkung an der Gründung der Unione Giovani SvizzeriExterner Link, dem ersten Verband der Welt, der junge Männer und Frauen schweizerischer Nationalität zusammenführt.
In Italien wie auch anderswo besteht eine der grossen Herausforderungen der Schweizer Vereine darin, das Interesse der jüngeren Generation zu wecken.
In vielen Kreisen werden die Mitglieder immer älter, ein Generationenwechsel ist schwierig. Manchmal fehlen auch neue Kräfte und Clubs müssen geschlossen werden. So hat der Schweizer Verein in Sondrio kürzlich beschlossen, seine Tätigkeiten aufzugeben.
«Ich weiss nicht, ob sich dieser Jugendverband halten kann, aber wir können mit Stolz sagen, dass es uns für einige Jahre gelungen ist, Nachwuchs zu finden», sagt Beutler-Fauguel.
Die Auswanderung hat sich gewandelt
Während ihrer langjährigen Tätigkeit in Italien hat Beutler-Fauguel aus erster Hand erlebt, wie sich die Auswanderung aus der Schweiz gewandelt hat.
«Früher kamen die Menschen, die nach Italien zogen, hauptsächlich zum Arbeiten. Heute sind es oft Rentnerinnen und Rentner, die bestimmte Dienstleistungen benötigen, etwa ärztliche Hilfe oder ein Spital», sagt sie.
«Das Problem ist, dass diese Dienstleistungen nicht mit denen in der Schweiz vergleichbar sind. Manchmal wissen diese Menschen, die vielleicht nicht einmal Italienisch sprechen, nicht, wie sie sich zurechtfinden sollen.»
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Alberto Fossati, der in Lecce zum neuen Präsidenten des Collegamento Svizzero gewählt wurde, weist auf einen weiteren Aspekt hin: Die Schweizer Unternehmen in Italien haben sich internationalisiert und haben nur noch selten Schweizer Manager an der Spitze.
Zudem komme es immer häufiger vor, dass Unternehmen eine ihrer Führungspersonen für einen begrenzten Zeitraum von einigen Monaten nach Italien schicken, beispielsweise um ein Projekt abzuschliessen.
«Für uns ist das ein Handicap. Einerseits, weil Schweizer Unternehmen mit Schweizer Managern oft als Philanthropen auftraten, was heute kaum mehr der Fall ist», sagt Fossati, dessen Familie seit drei Generationen in Mailand lebt.
«Andererseits, weil viele dieser Menschen nur für kurze Zeit hier sind und es schwierig ist, sie in die Aktivitäten eines Schweizer Vereins einzubinden.»
Während des Kongresses in Lecce wählte die Versammlung des Collegamento Svizzero unter anderem die «italienischen» Mitglieder des Auslandschweizer-Rats:

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Welche Rolle kommt dem Collegamento Svizzero zu?
Könnte die Unterstützung dieser neuen Emigration, besonders der von Beutler-Fauguel erwähnten, nicht zu den Aufgaben des Collegamento Svizzero oder der verschiedenen Vereine und Kreise gehören, die in vielen italienischen Regionen vertreten sind?
«Die Aufgabe des Collegamento besteht in erster Linie darin, die Stimme der Schweizerinnen und Schweizer in Italien in der Eidgenossenschaft zu sein. Selbstverständlich unterstützen wir die Vereine, die uns darum bitten”, betont Beutler-Fauguel. «Der einzelnen Bürgerin, dem einzelnen Bürger, können wir jedoch nicht zu Hilfe kommen.»

Laut Fossati könnte diese Rolle zumindest teilweise von den Schweizer Vereinen selber übernommen werden: «Die Schweizer Gesellschaft von Mailand ist beispielsweise eine Partnerschaft mit den Acli eingegangen. Das sind die internationalen christlichen Arbeitervereinigungen, die in vielen Ländern der Welt vertreten sind und nicht nur italienische Arbeiterinnen und Arbeiter unterstützen», sagt er.
«Das bedeutet aber nicht, dass diese Wohltätigkeitsvereine alles alleine machen sollen. Wir müssen uns heute öffnen und vernetzen», so Fossati, der auch Präsident der Schweizerischen Wohltätigkeitsgesellschaft in Mailand ist.
Grundsätzlich sollte laut dem neuen Verbindungspräsidenten dafür gesorgt werden, dass die verschiedenen Schweizer Institutionen in Italien mehr Erfahrungen austauschen und sich bei Bedarf gegenseitig helfen und Aufgaben teilen können.
Mehr Offenheit gegenüber Nicht-Schweizerinnen und Schweizern
«Eine weitere Idee, die meiner Meinung nach eine Überlegung wert ist, ist die Öffnung unserer Clubs für Nicht-Schweizerinnen und Schweizer», sagt Fossati.
Viele Vereine haben Höchstquoten festgelegt. In den Statuten der Schweizerischen Gesellschaft von MailandExterner Link ist beispielsweise festgeschrieben, dass «die Zahl der Mitglieder, die nicht die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzen, 40 Prozent der Gesamtmitgliederzahl nicht überschreiten darf».
«Wenn ich mir anschaue, was die Schweizerische Wohltätigkeitsgesellschaft von Livorno mit ihrem italienischen Generalsekretär alles macht, dann ist das für mich ein wunderbares Beispiel für Offenheit», sagt Fossati.
«Ein weiteres Beispiel ist der derzeitige Präsident der Schweizer Handelskammer in Mailand, Fabio Bocchiola, Geschäftsführer der Schweizer Firma Repower. Er organisiert sehr interessante Veranstaltungen und ist eine Person, die in der Lage ist, Kontakte zu knüpfen. Er ist übrigens auch Italiener.»
Der neue Präsident des Collegamento Svizzero ist sich der Herausforderung seiner Aufgabe bewusst. Die Schweizer Gemeinschaft in Italien ist nicht mehr das, was sie noch vor einigen Jahrzehnten war.
Das Bedürfnis und der Wille, zusammenzukommen, haben etwas nachgelassen. Und diejenigen, die der zweiten oder dritten Generation angehören, haben oft ein weniger starkes Zugehörigkeitsgefühl.
«Wir dürfen jedoch die Vergangenheit nicht vergessen, um die Fehler und die guten Dinge, die getan wurden, zu würdigen und dann auf einer aktuelleren Grundlage neu anzufangen. Vor allem müssen wir herausfinden, wie wir Menschen an Bord holen können, die über die geistige und kulturelle Frische verfügen, um unsere Erfahrungen weiterzuführen”, betont Fossati.
Falls nötig, müsse man auch den Mut haben, den Kurs zu ändern. Als Beispiel nennt der neu ernannte Präsident des Collegamento die Schweizerische Wohltätigkeitsgesellschaft von Venedig.
«Irgendwann sagte deren Präsident, dass sie nicht mehr zurechtkämen, woraufhin es zu einer Fusion mit der Gesellschaft in Mailand kam», sagt Fossati.
«Man könnte auch darüber nachdenken, ob es sich nicht lohnen würde, diesen Organisationen mehr Aufgaben zu übertragen. Heute werden sie nicht mehr oft um Hilfe gebeten. Warum sollte man nicht dafür sorgen, dass sie beispielsweise Stipendien an junge Leute vergeben können, die in der Schweiz studieren möchten?»
Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub

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