The Swiss voice in the world since 1935

Gut im Rennen liegt der Euro-Reaktor EPR

Die erste Reaktorhülle von Innen - EPR-Reaktor im Bau in Olkiluoto, Finnland. swissinfo.ch

Die von Frankreich und Deutschland gemeinsam vorangetriebene Reaktor-Weiterentwicklung vom Typ EPR verspricht mehr Sicherheit und billigeren Strom.

In Finnland ist er bereits in Bau, in Frankreich beschlossene Sache, der europäische Reaktor EPR. Dieser Reaktortyp bietet sich auch für die Erweiterung des Schweizer Kraftwerkparks an.

Zwar wurde zwischen 1995 und 2005 in ganz Westeuropa kein neues Kernkraftwerk gebaut. Das heisst jedoch nicht, dass die Ingenieure während dieser Zeit geschlafen haben.

In Ländern wie den USA, Russland, Japan, Südafrika, Südkorea sowie Frankreich und Deutschland wurden die Arbeiten an der Entwicklung eines Reaktors der dritten Generation weiter getrieben, sodass jetzt nicht weniger als neun moderne Typen zueinander in Konkurrenz stehen.

Eine Weiterentwicklung

Darunter befindet sich auch der europäische Druckwasserreaktor vom Typ EPR. Wie der Name schon sagt, handelt es sich dabei um eine europäische Entwicklung, an der Frankreich und Deutschland – trotz des dortigen Beschlusses, aus der Kernenergienutzung auszusteigen – entscheidend beteiligt waren.

Der EPR ist keine Neukonstruktion, sondern fusst auf den mehreren Jahren Betriebserfahrung, die mit deutschen (Modell Gösgen) und französischen Druckwasserreaktoren gesammelt wurden.

Der erste EPR wird momentan in Finnland (Olkiluoto) gebaut, ein weiterer Baubeginn steht bei Cherbourg am Ärmelkanal bevor.

Sicherheitstechnik perfektioniert

Mit einiger Wahrscheinlichkeit kann angenommen werden, dass auch der Schweizer Kernkraftwerk-Park – wenn es denn so weit kommt – mit dem EPR ergänzt werden wird. Dieser Reaktor soll laut Auskünften des «Nuklearforum Schweiz» sicherer und wirtschaftlicher zu betreiben sein als die Vorgängermodelle der zweiten Reaktorgeneration.

So wurde die bereits heute sehr geringe Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit damit einhergehender Kernschmelze nochmals um den Faktor zehn verkleinert. Und selbst wenn es zu einem solchen GAU käme, sind Vorkehrungen getroffen, dass keine nennenswerten Mengen radioaktiver Stoffe in die Umwelt freigesetzt werden.

Das Reaktorgebäude besteht aus zwei robusten Schalen aus Stahl – respektive Spannbeton. Der geschmolzene Kern würde auf einer speziellen Ausbreitungsfläche innerhalb des inneren Containments aufgefangen und gekühlt. Allfällig austretende radioaktive Gase würden im Hohlraum zwischen den beiden Schalen aufgefangen und vor Abgabe in die Umgebung gefiltert. Auf eine Evakuierung der Bevölkerung könnte auch im schlimmsten Fall verzichtet werden.

Widersteht auch Flugzeugabsturz

Selbst bei einem Direkthit durch ein Militär- oder Verkehrsflugzeug könnte der Reaktor kontrolliert herunter gefahren werden. Dies sollen die vier räumlich getrennt angeordneten und durch doppelte Betonschalen geschützten Sicherheitssysteme garantieren.

Der EPR nimmt für sich in Anspruch, nicht nur sicherer zu sein als seine Vorgänger, sondern auch einfacher und wirtschaftlicher im Betrieb. Die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine wurden optimiert, um das Risiko von menschlichem Versagen zu verringern. Der nachgebesserte Reaktortyp nutzt auch den Kernbrennstoff effizienter, das spart Ressourcen und hilft, das Atommüll-Volumen zu verringern.

Wird zudem der EPR in der Version mit 1600 MW installierter elektrischer Leistung gebaut, kommt dies dem Strompreis zugute. Denn dann können Bau- und Betriebskosten auf ein grösseres Produktionsvolumen verteilt werden.

Auch der Strom aus diesen neuen Kernkraftwerken soll weniger als fünf Rappen pro Kilowattstunde kosten, rechnen die Experten vor. Im Preis inbegriffen sind rund 20% Rückstellungen für die zu erwartenden Kosten für die Entsorgung des Atommülls und die Stilllegung der Anlage nach Ablauf der Betriebsdauer.

In der Schweiz nur mit Kühlturm

Als mögliche Standorte für den Bau eines EPR in der Schweiz bieten sich vor allem Beznau und Gösgen an, wo bereits Kernkraftwerke betrieben werden und die notwendige Infrastruktur (Elektrizitätsnetz, Kühlwasser) vorhanden ist.

Aber auch die BKW (Bernische Kraftwerke) möchten ihr KKW Mühleberg, wenn dieses dereinst sein Dienstalter erreicht hat, wieder durch eine nukleare Anlage ersetzen.

Allerdings müssten die Bewohner in den betreffenden Gegenden dann höchstwahrscheinlich mit einem Kühlturm leben lernen. Denn die Restwärme eines neuen und grossen KKW mit Flusswasser abzuführen, wie dies gegenwärtig bei den beiden Beznau-Blöcken von je 365 MW und in Mühleberg der Fall ist, wird wohl nicht angehen. Denn die Direktkühlung von KKW ist in der Schweiz bereits in der Ära von «Kaiseraugst» untersagt worden.

swissinfo, Ulrich Goetz

Damit in einem Reaktor eine kontrollierte Kernspaltung abläuft, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:

Erstens braucht es spaltbares Material (meist in Form von Uran-235).

Zweitens müssen die beim Spaltprozess frei werdenden Neutronen moderiert, also abgebremst werden, damit sie von benachbarten Uranisotopen eingefangen werden können und die Kettenreaktion erhalten bleibt.

Drittens muss die beim Spaltprozess anfallende Wärme abgeführt werden können.

Als Moderator und Kühlmedium kann Schweres Wasser dienen, andere Reaktortypen(Typ «Tschernobyl») werden mit Grafit moderiert und mit Wasser oder Gas gekühlt.

In den weltweit rund 450 in Betrieb stehenden KKW haben sich die so genannten Leichtwasserreaktoren durchgesetzt, in denen gewöhnliches Wasser sowohl als Moderator wie auch als Kühlmittel dient.

Auch der Schweizer KKW-Park ist mit solchen Leichtwasserreaktoren ausgestattet.

Die Schweiz hat 5 Atomkraftwerke in Betrieb: Beznau I und II (Kanton Aargau, in Betrieb seit 1969 bzw. 1972). Mühleberg bei Bern (1972), Gösgen (Solothurn, 1978) und Leibstadt (Aargau, 1984).

Der Anteil der Kernkraft an der gesamten Stromproduktion in der Schweiz beträgt im Mittel 38% (Winter bis 45%). Das Mittel in Europa liegt bei 33%.

Nach dem neuen Energiegesetz, seit 1. Februar 2005 in Kraft, unterliegt der Bau neuer Atomkraftwerke dem fakultativen Referendum.

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft