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“Für mich bin ich immer noch der Sieger von Misano”

(Keystone-SDA) Dominique Aegerter spricht mit der Nachrichtenagentur sda über seinen aberkannten Sieg in Misano, seine eher enttäuschende Saison und seine Hoffnungen für 2018, sowie über Tom Lüthis Titelchancen.

Dominique Aegerter, in den letzten drei Saisons erlebten Sie sportlich eine schwierige Zeit. Nun wurde vor wenigen Tagen Ihr grösster Erfolg, der GP-Sieg in Misano, wegen einer technischen Unregelmässigkeit annulliert. Wie gross ist Ihre Wut?

“Klar bin ich noch immer wütend. Ich weiss aber nicht genau, auf wen ich das sein soll. Die ganze Angelegenheit ist mir unbegreiflich. Ähnlich unbegreiflich wie damals im September der Sieg in Misano – einfach jetzt im Gegenteil und negativ.”

Sowohl die Analyse der A- wie auch der B-Probe des verwendeten Öls ergab eine Unregelmässigkeit. Wenn dem Öl nicht mit Absicht etwas beigemischt wurde, so muss zumindest jemand in Ihrer Mechaniker-Crew zu wenig sorgfältig gearbeitet haben, oder nicht?

“Ich stehe zu 100 Prozent hinter dem Team. Ganz sicher hat niemand von uns versucht zu betrügen. Von einer Nachlässigkeit oder einem Fehler eines Mechanikers gehe ich auch nicht aus. Wir haben das gleiche Öl wie immer benutzt.”

Der Sieg und die 25 WM-Punkte sind aberkannt. Eine Möglichkeit für einen Rekurs gibt es nicht mehr. Was nehmen Sie von diesem Rennen in Misano dennoch mit?

“Egal, was andere jetzt sagen. Für mich bin ich immer noch der Sieger. Ich war das ganze Rennwochenende konstant schnell. Das kann mir niemand wegnehmen. Die Suter ist siegfähig, das habe ich gezeigt.”

Wenn Sie eine vorgezogene Saisonbilanz machen müssen, dann…

“… fällt diese schlecht aus. Nach der Disqualifikation natürlich umso mehr. Nun bin ich im Gesamtklassement gar nicht mehr unter den besten zehn. Es gab heuer zudem zwei, drei Rennen, bei welchen ich nicht top gefahren bin. Dazu kamen auch noch drei technische Ausfälle.”

Vorne im Gesamtklassement sind zwei Fahrer weit enteilt: Franco Morbidelli und Tom Lüthi. Bei wem Ihre Sympathien liegen, dürfte klar sein.

“Ungewollt habe ich Tom schon geholfen. Dank der Sache in Misano hat er fünf Punkte und einen Sieg mehr.”

Ernsthaft: Sie haben in Japan eindeutig versucht, Lüthi zu helfen.

“Ja. Als Morbidelli mich überholte, bin ich an ihm drangeblieben und wollte ich ihn unbedingt schlagen. In der letzten Runde habe ich ihn wohl viermal überholt, doch er konnte jedes Mal kontern. Aber dass das klar ist: Ich lasse auch Tom nicht einfach so durch. Am letzten Sonntag habe ich zum Beispiel nicht klein beigegeben, als er in der Anfangsphase vorbei wollte. Wenn Tom zum Abschluss in Valencia noch um den Titel kämpft, wäre das dann eine andere Geschichte.”

Sie würden Lüthi den Titel gönnen?

“Natürlich. Ich hoffe sogar, dass Tom Weltmeister wird. Er hat dafür sehr gute Voraussetzungen: am meisten Erfahrung, eine grosse Konstanz und gute Crew, zudem macht er kaum Fehler.”

Sagen Sie uns, was für Morbidelli spricht, der mit 19 Punkten Vorsprung führt?

“Morbidelli hat das perfekte Team, das ihm das perfekte Motorrad hinstellt. Da passt einfach alles. Er ist zudem ein Riesentalent, das von Valentino Rossi gefördert wird und von ihm Tipps kriegt.”

Was erwarten Sie vom Rennen an diesem Wochenende?

“Nachdem ich in Japan Neunter geworden bin, erhoffe ich mir für Australien wieder eine Top-5-Platzierung.”

2018 wird für Sie eine wegweisende Saison. Sehen Sie das auch so?

“Ich will angreifen und endlich wieder zeigen, was ich kann.”

Sie haben sich dazu entschieden, bei Ihrem bisherigen Team auf einem Suter-Motorrad zu bleiben. Was gab den Ausschlag gegen KTM, dem starken Wiedereinsteiger in die mittlere WM-Klasse?

“KTM ist eine gute Firma und wir standen in Verhandlungen. Es wäre sicher eine sehr, sehr interessante Lösung gewesen. Deshalb habe ich auch so lange überlegt. Aber ich weiss ja nicht, ob ich auf KTM auch schnell gewesen wäre. Zudem gab es noch andere Vorbehalte. Bei Suter hingegen weiss ich genau, was ich zu tun habe. Allerdings benötigen wir noch einen Sponsor, der uns Tests und Entwicklungs-Arbeit zahlt. Sonst wird es schwierig.”

Ist der MotoGP-Aufstieg noch ein Thema?

“Zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht. Es handelt sich mehr um einen Traum. Doch wer weiss, was nach einem sehr guten 2018 passieren kann?”

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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