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24 Monate Freiheitsstrafe wegen Aussetzung des gelähmten Partners

(Keystone-SDA) Eine 65-jährige Schweizerin hat ihren pflegebedürftigen Partner nach Indien verfrachtet, um die hohen Kosten des Heims zu umgehen. Gemäss Winterthurer Bezirksgericht ein eiskaltes, egoistisches Vorgehen. Es hat die Frau zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

Die Strafe wurde mit einer Probezeit von zwei Jahren verhängt. Wird die pensionierte Bankerin in dieser Zeit straffällig, muss sie aber nicht die vollen 24 Monate hinter Gitter. 5,5 Monate, die sie bereits in Untersuchungshaft sass, würden von der Strafe abgezogen. Die Verurteilte nahm das Urteil regungslos entgegen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau ihren Freund 2008 im Pflegeheim bei Winterthur abmeldete, mit ihm nach Indien flog und ihn in der Ortschaft Bahadurgarh ablieferte, um Geld zu sparen. Die Pflegekosten in der Schweiz von rund 9000 Franken pro Monat hätten das Vermögen des ehemaligen Bauern empfindlich geschmälert – und damit das Erbe, das mittlerweile an die Tochter der langjährigen Lebenspartnerin überging.

Aufenthaltsort verschwiegen

Ob sich die örtlichen Verhältnisse für einen halbseitig gelähmten, dementen und hilflosen Mann geeignet hätten, habe die Verurteilte vorher nicht abgeklärt, sagte der Gerichtspräsident. “Es war ihr gleichgültig.” Ihre Gleichgültigkeit erkenne man auch daran, dass sie nach ihrer Rückreise nie mehr direkten Kontakt aufgenommen und zuhause alle Anstrengungen unternommen habe, den wahren Aufenthaltsort geheimzuhalten.

Auf der Gemeindeverwaltung gab sie etwa an, er werde in Dubai “bestens gepflegt”. Bei der Sozialversicherungsanstalt, welche die Hilflosenentschädigung auszahlte, lautete sein Aufenthaltsort Lenk BE. Angelogen wurden auch jene Nachbarn und Bekannte, die den ehemaligen Landwirten im Heim besuchen wollten und ihn dort nicht mehr vorfanden.

Für den Mann sei es mit Sicherheit ein Riesenschock gewesen, als er aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen und nach Indien verpflanzt worden sei, sagte der Gerichtspräsident weiter. Er sei entwurzelt worden und alleine in der Fremde gestorben, ohne vertraute Gesichter, ohne Möglichkeit der Kommunikation mit seinen Pflegern.

Der ehemalige Landwirt starb im November 2008 im Alter von 74 Jahren – rund neun Monate nach seiner Ankunft in Indien. Ob sein Tod mit der mangelhaften Pflege und den hygienischen Verhältnissen zusammenhängt, ist unklar.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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