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Bezirksgericht Baden befragt Mutter von totem Zweijährigem

Die roten Lämpchen im Kopf dieser Simulationspuppe zeigen die Hirnregionen an, die bei einem Kleinkind durch Schütteln geschädigt werden. (Symbolbild) Keystone/DPA dpa/A4312/_FRANZISKA KRAUFMANN sda-ats

(Keystone-SDA) Vor dem Bezirksgericht Baden AG ist am Dienstag die Mutter eines Kleinkindes gestanden, das laut Anklage im Herbst 2014 von ihrem Lebensgefährten zu Tode geschüttelt und zuvor misshandelt worden war. Niemand hatte die ständigen Verletzungen als Gewaltspuren erkannt.

Die Frau steht als Beschuldigte vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, nichts getan zu haben, um ihr Kind zu schützen. Sie ist beschuldigt der fahrlässigen Tötung und der mehrfachen fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen. Die Anklage beantragt eine Bestrafung mit bedingten 14 Monaten Freiheitsentzug.

Am Mittwoch steht dann ihr damaliger Lebensgefährte vor dem Bezirksgericht. Er soll das Kind monatelang misshandelt und schliesslich zu Tode geschüttelt haben. Für ihn beantragt die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren wegen vorsätzlicher Tötung.

Schwieriges Leben

Die Schilderungen der heute 32-Jährigen vermittelten das Bild eines schwierigen Lebens: Ehemann und Kindsvater gewalttätig, Trennung. Der Mann kümmert sich kaum um das Kind, droht und belästigt aber die Frau weiterhin. Unter anderem habe er damit gedroht, ihr das Sorgerecht entziehen zu lassen, sagte sie aus.

Im Frühling 2014 lernte sie einen anderen Mann kennen. Bald zog er zu ihr und dem damals knapp zweijährigen Buben. Laut ihrer Schilderung beteiligte er sich intensiv an der Betreuung des Kleinkindes.

Der Bub war offenbar nicht einfach. Hyperaktiv und zu heftigen Trotzanfällen neigend. Immer wieder sei er hingefallen oder sei irgendwo angestossen.

Ständige Verletzungen

In jenen Sommer- und frühen Herbsttagen war das Kind ständig verletzt. Blaue Flecken an den verschiedensten Körperstellen, Beulen, eine verbrannte Hand, eine Schnittverletzung, eine Schramme im Gesicht und eine Hirnerschütterung. Der Lebensgefährte informierte sie immer wieder, dass der Kleine “sich verletzt” habe, schickte ihr Fotos, während sie arbeitete.

Die Frau, selbst im medizinischen Bereich tätig, glaubte ihm, sorgte sich, ging immer wieder zu Ärzten, befürchtete auch eine Blutgerinnungsstörung – deshalb die blauen Flecken – oder neurologische Probleme.

Mutter dachte nie an Misshandlungen

Laut den Aussagen der Beschuldigten dachte sie nie daran, dass Misshandlungen die Ursache der Verletzungen sein könnten. Sie habe nie gesehen, dass der Lebensgefährte grob gewesen sei mit dem Kind, sagte die Beschuldigte am Dienstag. Sie habe den Mann geliebt und glücklich gewesen, ihn an ihrer Seite zu haben.

Auch in der Kindertagesstätte und in den Arztpraxen sei nie von möglicher Gewalt gesprochen worden. Die Ärzte hätten sie beschwichtigt und beruhigt. Blutuntersuchungen hätten keinen Befund ergeben. Mit ihrem Wunsch, den Kleinen ins Kinderspital Zürich zu bringen, sei sie vertröstet worden.

Am Nachmittag geht die Verhandlung mit den Plädoyers weiter. Am Mittwoch folgt die Verhandlung gegen den Mann. Wann die Urteile eröffnet werden, ist noch unklar.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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