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Bundesgerichtspräsident äussert sich abfällig über Richterkollegin

"Ich kann sie nicht länger als zwei Sekunden anschauen": Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer. (Archivbild) KEYSTONE/LAURENT GILLIERON sda-ats

(Keystone-SDA) Ausgerechnet am Rande einer Untersuchung wegen mutmasslichem Mobbing und Sexismus am Bundesstrafgericht hat sich Bundesgerichtspräsident und Aufsichts-Mitglied Ulrich Meyer abfällig über eine Bundesstrafrichterin geäussert. Dieser bedauerte den Vorfall.

Am Mittwoch machte die SRF-TV-Sendung “Rundschau” eine Audioaufnahme publik, in der sich der Präsident des höchsten Schweizer Gerichts negativ über die abwesende Bundesstrafrichterin geäussert hatte. Die Frau “quassle”, habe “einen giftigen Blick”, sei “eine Magersüchtige”, und er könne “sie nicht länger als zwei Sekunden anschauen”, sagte der 66-jährige Meyer demnach.

Das Bundesgericht teilte in einer Stellungnahme mit, Meyer habe die Aussagen im engsten Personenkreis gemacht, und er bedauere diese. Der Bundesgerichtspräsident bat den Angaben zufolge bei der betreffenden Richterin “in aller Form” um Entschuldigung.

Meyer erklärte in einem online publizierten Interview mit den Tamedia-Zeitungen, dass kein Mensch ohne Fehler sei, das gelte auch für ihn. Die Äusserungen seien im Anschluss an eine Einvernahme eines anderen Bundesstrafrichters gemacht worden, während dieser kurz den Saal verlassen habe. Die Aussagen seien aufgenommen worden, weil alle Einvernahmen zwecks späterer Protokollierung aufgezeichnet würden. Die Aufzeichnung sei in der Pause unabsichtlich weitergelaufen. Wer diese an das Fernsehen weitergegeben habe, sei nicht bekannt.

Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts hatte im Frühjahr mutmassliche Missstände am Bundesstrafgericht in Bellinzona untersucht. Medien hatten zuvor unter Berufung auf Insider von Machtkämpfen, Günstlingswirtschaft, Spesenexzessen, Mobbing und Sexismus berichtet. Die Verwaltungskommission des Bundesgerichts, der unter anderem Bundesgerichtspräsident Meyer angehört, eröffnete Anfang Januar ein aufsichtsrechtliches Verfahren.

Der im April veröffentlichte Untersuchungsbericht kam zum Schluss, dass es in der Vergangenheit am Bundesstrafgericht zu mehreren zweifelhaften Vorfällen gekommen war. Das Bundesgericht empfahl als härteste Folge die Entlassung der Generalsekretärin.

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