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Ex-RAF-Terroristin Becker verweigert Aussage im Buback-Mordprozess

(Keystone-SDA) Stuttgart – Vergeblich hat der Richter am Donnerstag an die einstige RAF-Terroristin Verena Becker appelliert, “Verantwortung zu übernehmen”. Doch die hinter einer grossen schwarzen Sonnenbrille versteckte Angeklagte schwieg am ersten Tag des Prozesses um den Mord am Generalbundesanwalt Siegfried Buback.
Die Bundesanwaltschaft wirft der mittlerweile 58-Jährigen vor, als Mittäterin am Attentat auf Buback und zwei seiner Begleiter am 7. April 1977 in Karlsruhe beteiligt gewesen zu sein. Er gehe davon aus, dass Becker das Attentat mit vorbereitet und den Tatort ausgespäht habe, sagte Bundesanwalt Walter Hemberger vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht.
Weiter habe die Angeklagte eine Woche danach Bekennerschreiben an die Medien versandt. Derzeit gebe es aber keine hinreichenden Hinweise, dass sie direkt an der Erschiessung Bubacks beteiligt gewesen sei.
Verena Becker liess durch ihren Anwalt erklären, sie wolle keine Aussage machen. So wurden Passagen aus tagebuchähnlichen Aufzeichnungen der ehemaligen RAF-Terroristin vorgelesen.
“Heilung geschehen”
In den Notizen überlegt die Angeklagte, ob sie den Hinterbliebenen der drei Toten ihr “Täterwissen” offenbaren solle, “damit Heilung geschehen kann”. Die Chancen, nach 33 Jahren doch noch die Wahrheit zu erfahren über die Hintergründe des Anschlags auf Buback, schwinden damit merklich.
Wer auf Buback schoss, ist bis heute unklar. Für Michael Buback, den Sohn des Ermordeten, nicht: Er geht “zu 99 Prozent” davon aus, dass es Becker war. “Etwa 20 Augenzeugen haben eine Frau auf dem Motorrad gesehen”, sagt Buback am Rande der Verhandlung.
Deren Aussagen seien jedoch unbeachtet blieben, Protokolle verschwunden, und am Tag nach den Morden nur noch von drei Männern die Rede gewesen.
Schwere Vorwürfe gegen Behörden
Michael Buback wirft den Behörden deshalb eine “geradezu systematisch wirkende Nichtberücksichtigung von Zeugenaussagen” vor. Als Grund dafür nennt er einen ungeheuerlichen Verdacht: Becker war Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dieser habe den Mord sehenden Auges geschehen lassen und eine “schützende Hand” über Becker gehalten, glaubt der Chemieprofessor.

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