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Für Obama ist Lateinamerika nicht mehr nur eine Problemregion

(Keystone-SDA) Wenn US-Präsident Barack Obama am Donnerstag nach Lateinamerika reist, dann kommt er in eine Region, die Washington längst nicht mehr nur als Unsicherheitsherd und Hort des Drogenhandels ansieht. Vielmehr gilt der Subkontinent im Weissen Haus als eine Region immer grösserer wirtschaftlicher Chancen.

Bei einer amerikanischen Wirtschaft, die immer noch um die Erholung und die Schaffung von Arbeitsplätzen ringt, erscheint Lateinamerika mit einem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) prognostizierten Wirtschaftswachstum von 3,4 Prozent als ein attraktiver und naher Markt. Und die Vereinigten Staaten wollen auch verhindern, dass der chinesische Einfluss noch stärker in der Weltgegend wird, die einst als US-amerikanischer “Hinterhof” galt.

Auf dem Reiseprogramm steht zunächst Mexiko, wo Obama den neuen Präsidenten Enrique Pena Nieto trifft, und anschliessend Costa Ricas Hauptstadt San Jose, wo er mit den Staats- und Regierungschefs Mittelamerikas zusammenkommt. Es ist nach 2011 erst die zweite Reise des US-Präsidenten zu den südlichen Nachbarn.

“Ich möchte sichergehen, dass wir einigen unserer engsten Freunde und Partner unser Interesse übermitteln, das wir nicht nur am Thema der Sicherheit haben, sondern an den unglaublichen wirtschaftlichen Chancen”, sagte Obama einer spanischsprachigen Fernsehkette, als sein Reisevorhaben Ende März bekannt wurde.

Mexiko freut sich

Bei einem Treffen mit seinem mexikanischen Kollegen Jose Antonio Meade sagte Aussenminister John Kerry kürzlich, dass ihm Obama klare Anweisungen gegeben habe. “Wir wollen diese Beziehung zu Mexiko oder zu anderen Ländern nicht im Kontext von Sicherheit oder Antidrogenkampf definieren, sondern in einem viel weiteren Kontext der wirtschaftlichen Bedürfnisse unserer Bürger und unserer Fähigkeit, mehr an der wirtschaftlichen Front zu tun”, sagte Kerry.

Seine Worte wurden in Mexiko gerne gehört, wo der neue Präsident Pena Nieto versucht, von der Fokussierung seines Vorgängers Felipe Calderon auf den Drogenkrieg abzurücken. In den sechs Jahren der Regierung Calderon (2006-2012) kamen nach Schätzungen rund 70’000 Menschen im Drogenkrieg ums Leben.

Innenminister Miguel Angel Osorio Chong sagte bei einem Besuch in Washington, sein Land suche zu den USA eine Beziehung “unter Gleichen”, die auf einer einfachen Prämisse aufbaue: “Mexiko braucht die Vereinigten Staaten, aber die Vereinigten Staaten brauchen auch Mexiko.”

Einwanderungsreform

Obama kommt nicht mit leeren Händen. Er hat Mitte April dem Entwurf für eine Einwanderungsreform seinen Segen gegeben. Das Gesetz soll den elf Millionen illegalen Einwanderern in den USA den Weg zur Staatsbürgerschaft ebnen. Die meisten dieser “Indocumentados” stammen aus Mexiko und Mittelamerika.

Einen legalen Aufenthaltsstatus für diese Menschen fordern die südlichen Nachbarn von Washington schon seit vielen Jahren. Eine Mehrheit im Kongress für den Gesetzesentwurf ist aber nach den jüngsten Anschlägen von Boston nicht sicher.

Weitere Forderungen

Aber auch wenn sie das Entgegenkommen in der Einwanderungsfrage und die Bemühungen um mehr Handel und Investitionen begrüssen, wollen die Lateinamerikaner dem nordamerikanischen Kollegen klar machen, dass sie noch mehr von Washington erwarten.

Sie wollen vor allem einen neuen Ansatz in der Anti-Drogen-Politik, der nicht nur die Erzeuger- und Transitländer im Süden, sondern auch den gewaltigen Markt im Norden im Fokus hat.”Wir sind uns einig, dass der Kampf gegen die Drogenaktivität und das organisierte Verbrechen nicht ausreichen wird, solange man den Hauptabsatzmarkt für Drogen nicht einbezieht”, warnte El Salvadors Präsident Mauricio Funes jüngst in Washington.

Klar ist aber schon, dass diejenigen unter den lateinamerikanischen Politikern, die den Schlüssel zur Lösung des Drogenproblems in der Legalisierung sehen, in Washington auf taube Ohren stossen. “Der Vorschlag, dass eine Legalisierung der Drogen das transnationale organisierte Verbrechen dazu bringen würde, sich aufzulösen, ist ein Trugschluss”, sagte der Chef der nationalen Antidrogenbehörde der USA, Gil Kerlikowske.

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