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Gericht untersucht Menschenhandel-Vorwürfe in Rotlichtmilieu

(Keystone-SDA) In Biel hat am Montag ein mehrtägiger Prozess um angeblichen Menschenhandel im Rotlichtmilieu begonnen. Dem Hauptangeklagten wirft die Anklage vor, zahlreiche Frauen – vor allem aus Rumänien – gnadenlos ausgebeutet zu haben.

Der heute gegen 40-jährige Türke soll Chef eines Bordells in Nidau BE gewesen sein und Frauen auch in Etablissements in die Kantone Solothurn, Luzern und Schwyz vermittelt haben. Laut der Anklageschrift verlangte er in Nidau von den Frauen, an sechs oder sieben Tagen pro Woche bis zu elf Stunden zu arbeiten.

Dort habe er die als “Touristinnen” eingereisten Frauen mit Hilfe von Landsleuten ständig überwacht, sie mit Gebühren und Bussen finanziell unter Druck gehalten und ein Teil von ihnen auch bedroht und geschlagen. Auch Gäste seines Etablissements soll der trainierte Boxer teilweise massiv angegriffen haben.

Er habe gewusst, dass die Frauen von ihm abhängig gewesen seien, wirft die Staatsanwaltschaft dem bulligen Mann weiter vor. Die Frauen hätten als “Touristinnen” nicht arbeiten dürfen, aber müssen, weil sie aus schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen stammten.

Zu den mehr als zehn Anklagepunkten gegen den Mann gehören Förderung der Prostitution, Menschenhandel, versuchte schwere Körperverletzung und qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Verhaftet wurde der Türke, als im Februar 2007 mehr als 200 Polizisten in Nidau BE und Tuggen SZ eine kombinierte Grossrazzia durchführten.

Die Bundespolizei und die rumänische Polizei waren in diese Razzia involviert, welche die Behörden damals als eine der grössten je in der Schweiz durchgeführten Aktionen gegen Menschenhandel bezeichneten. Die Ermittler befragten in der Folge etwa 25 zumeist rumänische Prostituierte.

Angeklagter will nichts von Druck wissen

Der Prozess begann gut für den Hauptangeklagten, neben dem drei Landsleute auf der Anklagebank sitzen: Das Gericht liess drei der vierzehn Anklagepunkte gegen ihn wegen Verjährung fallen. Die übrigen Vorwürfe bestritt er meistens. Sie betreffen grösstenteils die Jahre 2004 bis 2007.

So sagte er beispielsweise wiederholt, die Frauen hätten gern im Nidauer Betrieb gearbeitet. Nicht immer habe es für alle Bewerberinnen Platz gehabt. Das beweise doch, dass er nicht so schlecht sein könne wie in der Anklageschrift dargestellt.

Dass er dort der Chef war, bestätigte er aber unumwunden. Zum Leiter eines solchen Etablissements sei er zufällig geworden; zuvor sei er mitunter Kunde solcher Kontaktbars gewesen und habe gesehen, wie das laufe. Im Alter von 20 Jahren kam er als Asylsuchender in die Schweiz und bezieht heute Sozialhilfe.

Bei den drei anderen Angeklagten handelt es sich laut Anklageschrift um einen angeblichen Drogenhändler und um zwei angebliche “verlängerte Arme” des Hauptangeklagten. Alle vier befinden sich auf freiem Fuss.

Zeugin muss nicht vor Angeklagten aussagen

Neun Tage hat das Regionalgericht Berner Jura-Seeland für den Prozess reserviert. Etwa 40 Ordner voller Akten stehen hinter dem Gerichtspräsidenten. Vorgesehen ist auch, dass Zeuginnen auftreten. Dabei handelt es sich mindestens in einem Fall um eine der Ausländerinnen, die im Bordell des Türken arbeiteten.

Der Gerichtspräsident gab am Montag bei Prozessbeginn bekannt, dass die Frau zwar vor Gericht aussagen will, aber nicht in Anwesenheit der Angeklagten. Sie befürchtet offenbar Repressalien. Das Gericht genehmigte ihren Antrag, auf diese Weise auftreten zu können. Es will das Urteil am 29. Mai bekanntgeben.

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