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Lea Sprunger zählt zum Kreis der Medaillen-Anwärterinnen

(Keystone-SDA) Lea Sprunger steht am Donnerstagabend (22.35 Uhr) vor ihrem bislang wichtigsten Rennen. Der Westschweizerin wird über 400 m Hürden der Coup und somit der Gewinn einer Medaille zugetraut.

Sprungers Schlachtplan ist klar: Das Rennen kontrolliert angehen, den Rückstand auf die Besten in Grenzen halten und dann mit den langen Schritten auf der Zielgeraden (fast) alle abfangen. In Sachen Grundschnelligkeit muss die 27-Jährige keine Gegnerin fürchten. Die Schweizer Rekordhalterin über 200 und 400 m kann am Schluss einen Trumpf ausspielen, den nur wenige haben. Aber der Rückstand darf nicht zu gross und das Pulver nicht gänzlich verschossen sein.

Von den Finalistinnen weist die Schweizerin die viertbeste Zeit in dieser Saison aus – 54,29 Sekunden, aufgestellt an der Athletissima in Lausanne. Zum Vergleich: Die Olympia-Siegerin Dalilah Muhammad durchmass die Bahnrunde mit den zehn Hindernissen schon in 52,64 Sekunden. Die Amerikanerin ist denn auch die grosse Favoritin. Auch ihre Teamkollegin Kori Carter (52,95) oder die Tschechin Zuzana Hejnova (54,22) waren diesen Sommer schon schneller. Hejnova, die Weltmeisterin 2013 in Moskau und 2015 in Peking, wird ihre Routine ausspielen.

Die lange Hürdenstrecke bleibt unberechenbar. Dies zeigte sich auch in den Halbfinals. Die WM-Zweite Shamier Little aus den USA – sie ist über 400 m flach noch sieben Zehntel schneller als Sprunger – überstand die zwei Ausscheidungsrunden ebenso nicht wie die Europameisterin und Olympia-Zweite Sara Slott Petersen aus Dänemark. Aus diesem Grund machen sich auch Aussenseiterinnen im Final berechtigte Hoffnungen. Dies gilt aber nicht nur für Sprunger, sondern auch für die Britin Eilidh Doyle (Europameisterin von Zürich und Olympia-Finalistin in Rio), Cassandra Tate aus den USA (WM-Dritte 2015), Ristananna Tracey aus Jamaika (Siegerin im Halbfinal über Sprunger) oder Sage Watson aus Kanada.

Sprungers Steigerung in dieser Saison fusst auf einem Schrittwechsel. In der Olympia-Saison lief sie noch im 15er-Takt – also immer mit dem gleichen Schwung- und Nachziehbein – über die 10 Hürden, was ihr die Bronzemedaille an den Europameisterschaften 2016 in Amsterdam eintrug. Mit ihrer Grösse von 1,83 m und der entsprechenden Schrittlänge fühlte sie sich zu Beginn des Rennens zu sehr in ein Korsett eingeschnürt. Ein Stop and Go mit entsprechendem Energieverlust war die Folge. Auch diesem Grund packte sie auf diese Saison hin zusammen mit ihrem Trainer Laurent Meuwly die Umstellung an. 14 Schritte bis zur fünften Hürde, dann weiter wie bisher. Nun sieht der Lauf von Beginn an flüssig aus und die Durchgangszeit bei 200 m ist gemäss Meuwly um acht Zehntel schneller. Sprunger hält den Rhythmus nun bis zum Schluss lockerer und muss die Schritte auf der Zielgeraden nicht extrem in die Länge ziehen.

Als Belohnung für die Steigerung sollte sich auch der Schweizer Rekord einstellen, den Anita Protti seit der WM in Tokio 1991 (6. Rang in 54,25) hält. An der Athletissima fehlten Sprunger nur vier Hundertstel. Ob sie in London aber die Marke brechen kann, ist fraglich. Die Bahn im Olympia-Stadion ist bei nassen Verhältnissen dumpf und lässt kaum Top-Zeiten zu – dies zeigte sich bislang durchs Band an diesen Titelkämpfen.

Wenn man schon von einer Medaille träumt, lohnt sich auch der Blick in die Statistik. Die Schweizer Frauen, obwohl aktuell in der nationalen Leichtathletik dominierend, stehen in der WM-Medaillen-Bilanz im Vergleich zu ihren Kollegen hinten an. Einzig Anita Weyermann taucht mit einer Bronzemedaille 1997 in Athen auf. Sie erreichte den 3. Rang ebenso über 1500 m wie Sandra Gasser 1987 in Rom. Die Bernerin musste die Medaille aber wieder abgeben. Wegen eines Dopingvergehens wurde sie disqualifiziert. Somit lautet die Schweizer Bilanz: vier Goldene (dreimal Werner Günthör, André Bucher) und drei Bronzene (Weyermann, Marcel Schelbert, Viktor Röthlin).

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