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Lohngleichheitsdialog nach Einschätzung Sommarugas gescheitert

(Keystone-SDA) Gleichen Lohn für gleiche Arbeit gibt es für Frauen bisher nur in der Theorie. Seit 2009 versuchen Bund und Sozialpartner, dem Grundsatz mit freiwilligen Massnahmen Nachachtung zu verschaffen. Nach gut vier Jahren bezeichnet Justizministerin Simonetta Sommaruga das Experiment als gescheitert.

Die Teilnehmer des Lohngleichheitsdialogs seien sich einig, dass das Ziel mit dem Projekt nicht erreicht werde, sagte Sommaruga am Freitag am Frauenkongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) in Bern.

Der Lohngleichheitsdialog war 2009 lanciert worden. Unternehmen können ihr Lohnsystem auf Geschlechterdiskriminierungen überprüfen lassen und diese dann beseitigen. Gleichzeitig mit dem Start des Projekts wurde ein Moratorium für staatliche Massnahmen verhängt: Bevor der Gesetzgeber aktiv würde, sollten die Unternehmen noch einmal Chance bekommen.

Politik am Zug

Den Lohngleichheitsdialog abgeschlossen haben bisher erst knapp 18 Unternehmen und Organisationen, etwas über 20 haben das Projekt zumindest gestartet. Ziel war es jedoch, innerhalb von fünf Jahren nicht 40, sondern 100 Beteiligte an Bord zu holen.

Im kommenden Februar läuft diese Frist aus. Von der Möglichkeit der Verlängerung um zwei Jahre will Sommaruga angesichts der mageren Bilanz offenbar keinen Gebrauch machen. “Wenn es die Wirtschaft alleine nicht schafft, dann muss die Politik nachhelfen”, sagte sie am SGB-Frauenkongress.

Sie versprach, dem Bundesrat noch im kommenden Jahr konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie Lohngleichheit mit staatlichen Mitteln durchgesetzt werden könne. Zur Zeit würden die Instrumente zur Bekämpfung der Lohndiskriminierung in 14 anderen Ländern untersucht. Demnächst will Sommaruga eine Studie vorlegen, wie Lohngleichheit in der Schweiz durchgesetzt werden könnte.

Wirkungsloses Gesetz

Das in der Verfassung verankerte Gebot der Gleichstellung ist im Gleichstellungsgesetz von 1996 konkretisiert. Dieses verlangt unter anderem, dass Arbeitnehmende aufgrund ihres Geschlechts beim Lohn nicht benachteiligt werden dürfen.

Obwohl das Gesetz inzwischen seit 17 Jahren in Kraft ist, verdienen Frauen in der Schweiz gemäss Zahlen des SGB allein aufgrund ihres Geschlechts pro Monat im Durchschnitt 677 Franken weniger als Männer. Sommaruga bezifferte die Lohndiskriminierung mit 9 Prozent.

Für die Gewerkschaften führt daher kein Weg an einem staatlichen Massnahmen mehr vorbei. “Die gesetzlichen Grundlagen sind mit dem Gleichstellungsgesetz vorhanden. Was fehlt, sind Kontrollmechanismen und Sanktionen bei Verstössen”, sagte SGB-Zentralsekretärin Christina Werder auf Anfrage der sda.

Ob eine Behörde – wie etwa beim Gesundheitsschutz – oder eine Kommission mit Beteiligung der Sozialpartner – wie bei den flankierenden Massnahmen – die Einhaltung der Lohngleichheit kontrolliert, ist offen. Wichtig sei, dass eine Struktur für Kontrollen gefunden werde, sagte Werder.

Arbeitgeber skeptisch

Wie sich der Schweizerische Arbeitgeberverband, der ebenfalls zur Trägerschaft des Lohngleichheitsdialogs gehört, zur jüngsten Entwicklung stellt, war am Freitag vorerst nicht zu erfahren. Dass die Arbeitgeber grundsätzliche Vorbehalte gegenüber staatlichen Kontrollmechanismen haben, ist kein Geheimnis.

Die individuelle Komponente des Lohnes könne nicht einfach von einem Inspektor überprüft werden, heisst es in einer älteren Stellungnahme des Verbands zum Thema. Zudem sei eine sorgfältige Überprüfung mit erheblichem Aufwand verbunden und führe nicht immer zu einem schlüssigen Ergebnis.

Über die Durchsetzung der Lohngleichheit entscheiden muss am Schluss das Parlament. Zumindest dem Nationalrat geht es damit zu schleppend voran. Mit einer Motion wollte er den Bundesrat letztes Jahr beauftragen, sofort mit der Ausarbeitung von Kontrollmechanismen zu beginnen.

Obwohl auch die Ständeratskommission hinter dem Grundsatz von gleichem Lohn für Mann und Frau steht, legte sie den Vorstoss bis zum Ablauf des Lohngleichheitsdialogs auf Eis.

Energieriegel für Sommaruga

Eine Vorlage, die einen Eingriff in den Arbeitsmarkt darstellt, ist im Parlament für keinen Bundesrat ein Spaziergang. Symbolisch gaben die Gewerkschafterinnen Sommaruga am Freitag einen überdimensionalen Energieriegel mit auf den Weg, um sie für die Durchsetzung der Lohngleichheit zu stärken.

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