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Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Russland wegen Folter

(Keystone-SDA) Strassburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Russland wegen der Folterung und mutmasslichen Tötung eines Tschetschenen verurteilt. Die Strassburger Richter sahen es als erwiesen an, dass er im Februar 2000 von russischen Soldaten verschleppt und misshandelt wurde.
Da der damals 24-Jährige seit mehr als zehn Jahren spurlos verschwunden sei, sei davon auszugehen, dass er von den Soldaten getötet wurde, heisst es im Urteil. Moskau wurde angewiesen, der Familie des Mannes insgesamt 106’000 Euro Schmerzensgeld und Entschädigung zu zahlen.
Dem Urteil zufolge wurde der Tschetschene in der Ortschaft Gikalo festgenommen. Die bewaffneten, vermummten und akzentfrei russisch sprechenden Soldaten drangen demnach in das Haus der Familie ein und nahmen den 24-Jährigen fest. Seine Mutter schlugen sie mit Gewehrläufen bewusstlos. Anschliessend nahm das Kommando den jungen Tschetschenen gemeinsam mit 13 anderen Männern in Militärfahrzeugen mit.
Blinde JustizEinige der Männer kamen später frei. Sie berichteten, der 24-Jährige sei während des Verhörs wiederholt mit Eisenstangen geschlagen worden. Ausserdem habe ein Soldat ihm mit einem Messer ein Ohr abgeschnitten.
Erst fünf Jahre später leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen ein, die seither mehrfach unterbrochen wurden. Bisher wurde kein Verantwortlicher identifiziert. Die Beschwerde wegen der Misshandlung der Mutter wurde zu den Akten gelegt. Russland habe sich zudem geweigert, dem Strassburger Gericht alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen, heisst es im Urteil weiter.
Über 150 Urteile gegen RusslandSeit Februar 2005 hat der Strassburger Gerichtshof Russland mehr als 150 Mal wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasusrepublik Tschetschenien verurteilt.
Einer Statistik der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial zufolge wurde Moskau in Strassburg bisher zu Schmerzensgeldzahlungen an Tschetschenen in Höhe von mehr als 10,5 Millionen Euro verpflichtet.

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