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Schweizer Forscher berechnen Ebola-Epidemie aus Gendaten

(Keystone-SDA) Mit Hilfe von entschlüsselten Erbgutdaten von Ebola-Patienten haben Forschende der ETH Zürich die Ebola-Epidemie in Westafrika mathematisch genau beschreiben können. Der Haken: Um Vorhersagen für die momentane Epidemie zu treffen, wären aktuellere Daten nötig.

Diese fehlen jedoch laut den Wissenschaftlern. Um zu wissen, wie sich die Epidemie weiterentwickeln wird, und wie sie allenfalls noch eingedämmt werden kann, setzen Epidemiologen auf bestimmte Kennzahlen. Dies ist vor allem die Reproduktionsrate des Erregers, also wie viele andere Menschen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt.

Weitere Kenngrössen sind Inkubationszeit, wie lange es von der Infektion bis zum Ausbruch der Krankheit dauert, und die Ansteckungszeit, wie lange nach Ausbruch der Krankheit Patienten das Virus weitergeben können. Diese Kenndaten errechnet man zumeist aus den tatsächlichen Fallzahlen. Für grosse Unsicherheit dabei sorgt jedoch eine Unbekannte: Die Dunkelziffer.

Dieses Problem glauben Forschende vom Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel lösen zu können. Das Team um Tanja Stadler, Professorin für Computational Evolution, verwendete die Erbgutsequenzen von 70 Ebola-Patienten, die im Mai und Juni 2014 in Sierra Leone erkrankten, für ein statistisches Computerprogramm.

Dieses erstellte quasi einen “Stammbaum” für das Virus. Das Erbgut von Viren verändert sich sehr schnell von Tag zu Tag. Die Viren eines Patienten gleichen dem mehr, bei dem er sich angesteckt hat, als denen eines Patienten, der schon früher erkrankte.

Deshalb konnten die Forscher bestimmen, wann es in der Vergangenheit zu einer Ansteckung zwischen den Patienten gekommen ist. Daraus wiederum liessen sich die Kenngrössen ableiten.

Ein Kranker steckt zwei Gesunde an

Damit errechneten die Wissenschaftler für Sierra Leone eine Reproduktionsrate des Virus von 2,18 Menschen, die ein Erkrankter im Schnitt ansteckt. Bisherige Schätzungen anhand der effektiven Krankheitsfälle liegen zwischen 1,2 und 8,2.

“Ein grosser Vorteil unserer Methode ist, dass wir damit auch die Dunkelziffer und somit das wahre Ausmass der Epidemie errechnen können”, sagte Stadler in einer Mitteilung der ETH. Aus ihren Daten aus Sierra Leone im Mai und Juni ermittelten sie eine Dunkelziffer von damals 30 Prozent.

Ausgangssperre war zu kurz

Die Inkubationszeit bis zum Ausbruch der Krankheit errechneten die Forscher auf 5 Tage, allerdings sei der Wert aufgrund der kleinen Datenbasis sehr unsicher. Die Zeit, während der ein Kranker das Virus weitergeben kann, schätzten sie auf 1,2 bis 7 Tage. Dies gelte nur für den Ausbruch in Sierra Leone. Neuere Sequenzen seien derzeit nicht öffentlich erhältlich, sagte Stadler.

Die Kennzahlen sind entscheidend, wenn es um konkrete Strategien gegen die Epidemie geht. Zum Beispiel Ausgangssperren: Dauern sie länger als die Inkubationszeit, sind danach nur noch Personen mit Symptomen Träger des Virus. “Unsere Daten deuten darauf hin, dass die dreitägige Ausgangssperre in Sierra Leone zu kurz war, um alle Angesteckten zu identifizieren”, erklärte Stadler auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

“Sobald wir neuere Sequenzdaten bekommen, könnten wir über Nacht die Kennziffern genau bestimmen”, erklärte Stadler. Sie will deshalb ihre Resultate bei der WHO und der Bill and Melinda Gates-Stiftung, die sich für die Bekämpfung von Epidemien einsetzt, bekannt machen.

Ebola-Viren in Spermien

In Spermien können die Ebola-Viren offenbar wochenlang nach der Genesung überleben, laut einer Studie sogar drei Monate, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag mitgeteilt hatte. Deshalb sei die Benützung von Kondomen beim Geschlechtsverkehr für mindestens 90 Tage nach der Gesundung zu empfehlen, betonte der Ebola-Entdecker Peter Piot von der London School of Hygiene and Tropical Medicine anlässlich einer Presskonferenz in Genf.

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