Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Schweizer Grenzwächter verhaften bosnischen Ex-Militärkommandanten

(Keystone-SDA) Der Militärkommandant der ehemaligen bosniakischen (muslimischen) Enklave Srebrenica, Naser Oric, ist am Mittwoch in Thônex GE festgenommen worden. Oric war seit vergangenem Jahr von Serbien mit einem internationalen Haftbefehl gesucht worden.

Der Gesuchte sei um 12.30 Uhr bei der französisch-schweizerischen Grenze bei Thônex von Mitarbeitern des Grenzwachtkorps festgenommen worden, sagte Jean-Philippe Brandt, Sprecher der Genfer Kantonspolizei, am Abend auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er bestätigte einen entsprechenden Bericht der österreichischen Nachrichtenagentur APA, die sich ihrerseits auf Informationen des Belgrader Senders B-92 gestützt hatte.

Die Festnahme ist laut Brandt auf Basis eines von Serbien im Vorjahr ausgestellten Haftbefehls erfolgt. Oric sei nach der Festnahme der Genfer Kantonspolizei überstellt worden. Das Bundesamt für Justiz entscheide nun über das weitere Vorgehen, da es sich um eine Angelegenheit des Bundes handle.

Empörung nach Freispruch

Der 48-jährige Oric steht unter dem Verdacht, im Juli 1992 zusammen mit weiteren vier Personen Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung in der ostbosnischen Ortschaft Zalazje unweit von Srebrenica begangen zu haben. Damals wurden neun Personen ermordet.

Oric war 2006 vom UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen zunächst zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil er in zwei Fällen Morde und Misshandlungen nicht verhindert habe. Im Berufungsverfahren wurde er aber 2008 von den Vorwürfen freigesprochen.

Er habe als Kommandant nichts unternommen, um diese Verbrechen zu verhindern oder die Schuldigen zu bestrafen, entschied eine Strafkammer des Tribunals. Die Revisionskammer bemängelte jedoch, dass die eigentlichen Täter nicht ausreichend identifiziert worden seien. Daher sei nicht bewiesen, dass Oric für die Taten verantwortlich war.

Mildernde Umstände

Schon das Urteil der ersten Instanz hatte 2006 zu Empörung in Serbien geführt. Es sei eine Niederlage für das Kriegsverbrechertribunal und das “gesamte UNO-System”, sagte der frühere serbische Justizminister Vladan Batic damals.

Auch der Sprecher der serbischen Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen, Bruno Vekaric, kritisierte den Urteilsspruch des Haager Gerichts. “Es ist unzweifelhaft bewiesen, dass es in Srebrenica schreckliche Verbrechen an Serben gegeben hat”, und “einer muss dafür zur Verantwortung gezogen werden”, sagte Vekaric. Das Urteil “wird nicht zur Aussöhnung in der Region beitragen.”

Drei Jahre nach Orics Kommando-Tätigkeit, im Juli 1995, nahmen bosnisch-serbische Truppen Srebrenica ein und ermordeten etwa 8000 bosnische Muslime. Das UNO-Tribunal und der Internationale Gerichtshof haben dieses Massaker als Völkermord eingestuft.

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft