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Tunesische Gewerkschaft erkennt Übergangsregierung nicht an

(Keystone-SDA) Tunis/Paris – Die Übergangsregierung in Tunesien hat sich am Dienstag nicht nur massivem Widerstand von der Strasse gegenüber gesehen. Die mächtige Gewerkschaft UGTT kündigte an, sie erkenne das am Montag gebildete Kabinett von Regierungschef Mohammed Ghannouchi nicht an.
Die UGTT-Führung habe ihre drei Vertreter in der Regierung aufgerufen, sich aus dem Kabinett zurückzuziehen, sagte ein Gewerkschaftssprecher. Auf massive Kritik stösst in Tunesien, dass an der Übergangsregierung nach dem Sturz von Präsident Zine al-Abidine Ben Ali Vertreter seines Regimes weiter Schlüsselpositionen besetzen.
Die UGTT ist die einzige grosse Gewerkschaft in Tunesien. Sie hatte bei den Protesten gegen Ben Ali eine zentrale Rolle gespielt. In die Regierung der nationalen Einheit hatte die UGTT dann am Montag aber ein dem Regierungschef beigestelltes Kabinettsmitglied entsandt sowie den Beschäftigungsminister und einen Staatssekretär im Verkehrsministerium. Laut dem Gewerkschaftssprecher traten nun auch die UGTT-Vertreter zurück, die bisher im Parlament vertreten waren.
Ghannouchi rechtfertigt sichGhannouchi ist seit 1999 Regierungschef und ein enger Weggefährte Ben Alis, der nach wochenlangen Protesten am Freitag nach Saudi-Arabien geflohen war. Er verteidigte den Verbleib mehrerer Minister aus der Zeit Ben Alis im Übergangskabinett.
Ghannouchi versprach zugleich, alle zu bestrafen, die für das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten verantwortlich waren. Nach den jüngsten offiziellen Angaben gab es bei den Demonstrationen 78 Tote.
Rückkehr von MarzoukiDer Oppositionspolitiker Moncef Marzouki, kehrte am Dienstag aus dem französischen Exil nach Tunesien zurück und kündigte als erster seine Präsidentschaftskandidatur an. Er forderte einen Prozess gegen den früheren Machthaber Ben Ali und dessen Auslieferung durch Saudi-Arabien.
Proteste gehen weiterIn ganz Tunesien protestierten tausende Menschen gegen die Zusammensetzung der Übergangsregierung. Allein in der Wirtschaftsmetropole Sfax im Osten des Landes gingen laut Augenzeugen rund 5000 Menschen auf die Strasse. In Tunis ging die Polizei erneut mit Tränengas gegen Demonstranten vor.

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