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Wenn jeder jederzeit alles richtig macht

(Keystone-SDA) Trotz des bemerkenswerten Triumphs gegen Dynamo Kiew in der Champions-League-Qualifikation haben die Young Boys in der jungen Saison erst wenig erreicht. Aber die Darbietung nährt grosse Hoffnungen.

Alle, die gelbschwarz trugen und gelbschwarz dachten, taten den ganzen Sommerabend lang das Richtige. Trainer Adi Hütter hatte das Richtige schon weit vor dem Match getan. Er hatte seinen Spielern gesagt, wie das Unmögliche zu erreichen sei. Dazu gehörten individuelle taktische Vorgaben, individuelle Befehlsausgaben. Aber nicht zuletzt der Befehl an alle, über die 90 Minuten – am Schluss waren es 96 – mit voller Konzentration bei der Sache zu bleiben. Hütter wollte die teilweise haarsträubenden Fehler, die im Hinspiel im Dutzend aufgetreten waren und der Mannschaft eine günstigere Ausgangslage als das 1:3 vereitelt hatten, auf null reduzieren.

In Anlehnung an den Profi-Baseball in den USA könnte man sagen: Hütter verlangte von den elf Soldaten und den drei aktivierten Reservisten das perfect game, das perfekte Spiel. Alle haben das umgesetzt, jeder tat in nahezu jedem Augenblick das Richtige. Die Steigerung liesse sich an allen Spielern belegen, am deutlichsten aber an Steve von Bergen. Der Abwehrchef ist dafür bekannt, dass er trotz seiner reichen Erfahrung ab und zu schwächere, fehlerhafte Leistungen abliefert. Eine solche war dem Romand in Kiew unterlaufen. Im Stade de Suisse sahen alle den Von Bergen in einer Verfassung, wie sie ihn zum Captain und zum Internationalen gemacht hatte.

Als der Schlusspfiff ertönte, jubelte Adi Hütter. Er drehte sich um und bedankte sich mit emporgereckten Armen. Minuten später, vor den Mikrofonen, war der Österreicher gefasst. Er sagte, der ganze Match sei ihm an die Nerven gegangen. Er gab sich bescheiden und besonnen wie nach jedem Match. Und doch war etwas anders als sonst. Seine Leute hatten ja das perfect game umgesetzt. Hütter war anzusehen, dass nicht viel fehlte, und er hätte in den Berner Sommerabendhimmel gejuchzt.

Goldene Himbeere für Dynamos Taktik

Man kann die fabelhafte Leistung der Young Boys herabmindern, indem man das Spiel aus der Optik der Ukrainer betrachtet und ins halbleere Glas schaut. Trainer Alexander Chazkewitsch war an dem Abend der Anti-Hütter. Seine taktischen Massnahmen in diesem Spiel werden in kein Standardwerk der Fussballlehre eingehen. Oder allenfalls als Beispiel dafür, wie man es vermutlich nicht machen sollte. Sein Plan zerschellte förmlich. Mit der sehr defensiven Grundeinstellung, wie sie nach einem Zwei-Tore-Vorsprung mit Gegentor im Hinspiel zweischneidig ist, amputierte Chazkewitsch seinen besten Fussballern Andrej Jarmolenko, Derlis Gonzalez und Dieumerci Mbokani die offensive Wirkung.

Die Ukrainer spielten destruktiv, wo es nur ging. Dazu gehörte das schon früh in der ersten Halbzeit einsetzende, enervierende Zeitschinden. Goalie Maxim Kowal vertrödelte Minuten, sobald er den Ball monopolisieren konnte, und seine Vorderleute blieben nach jedem noch so harmlosen Foul nicht weniger lang liegen. Gewiss die Hälfte der Spieler machten die Spielchen mit, Es ist deshalb anzunehmen, dass es ein Teil der Taktik war.

Es gibt die nicht zu beweisende Theorie, dass das Gegentor zum 1:3 in der 93. Minute in Kiew, so ärgerlich es auch für die Berner und besonders für Hütter damals war, den Young Boys im Nachhinein mehr genützt als geschadet hat. Nach dem frühen 1:0 für YB in Bern lagen die Ukrainer im Gesamtscore immer noch voran. Das Festhalten an der defensiven Grundeinstellung war aus ihrer Sicht und aus der Sicht des Trainers immer noch legitim.

Wäre die Vorgabe für das Rückspiel jedoch ein 2:1 gewesen, so hätte Dynamo schon nach dem 1:0 irgendwann etwas unternehmen müssen. Der Moment des Müssens kam auf diese Weise erst nach 89 Minuten, nach dem 2:0 durch den eingewechselten Teenager Jordan Lotomba. In den verbleibenden neun Minuten inklusive Nachspielzeit konnten die schier schockierten Ukrainer den Schalter nicht umlegen. Ihre Angriffsversuche waren mehr wild als koordiniert. Sie kamen in keiner Szene nahe daran, das Berner Fussballfest doch noch zu verhindern.

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