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Wikileaks-Informant Manning sprach laut Zeuge nie über Feindeshilfe

(Keystone-SDA) Am zweiten Tag des US-Militärprozesses um die Weitergabe von Geheimdokumenten an die Enthüllungswebseite Wikileaks ist der mutmassliche Informant Bradley Manning dem Mann begegnet, der ihn bei den Behörden verraten hat: dem früheren Hacker Adrian Lamo.

Dieser berichtete am Dienstag, wie Manning sich ihm in Internetchats anvertraut habe. Bei den Gesprächen habe der Soldat aber nie gesagt, dass er den “Feinden” der USA helfen wolle. Lamo war als Zeuge der Anklage geladen worden, um Auskunft darüber zu geben, wie Manning in den Online-Unterhaltungen im Mai 2010 den Geheimnisverrat eingeräumt habe.

Der frühere Hacker alarmierte damals die Bundespolizei FBI, Manning wurde auf einem Stützpunkt in der Nähe von Bagdad festgenommen. Mannings Verteidiger David Coombs nahm den Zeugen ins Kreuzverhör und befragte ihn zu einer Reihe von Passagen aus den Chatgesprächen.

“Hat er Ihnen gesagt, dass er immer die Wahrheit herausfinden wolle?”, fragte Coombs. Lamo bestätigte dies. Ausserdem habe Manning ihm geschrieben, dass er “grossen Mist” gemacht habe. Der Soldat habe emotional angeschlagen gewirkt, sich als “verzweifelt” und “gebrochene Seele” bezeichnet.

In seinem Eröffnungsplädoyer am Montag hatte Coombs seinen Mandanten als “jungen und naiven” Idealisten beschrieben, der ausserdem darunter gelitten habe, seine Homosexualität in der Armee geheimhalten zu müssen.

Computerexperten im Zeugenstand

Manning selbst hatte Ende Februar erklärt, er habe mit der Weitergabe geheimer Informationen eine Debatte über die Kriege im Irak und in Afghanistan anstossen wollen. Der Obergefreite wird beschuldigt, etwa 700’000 militärische Dokumente und diplomatische Depeschen an Wikileaks weitergeleitet zu haben.

Manning bekannte sich in einer Reihe minderschwerer Anklagepunkte wie unerlaubter Besitz und vorsätzliche Weitergabe von vertraulichen Dokumenten schuldig. Den Hauptvorwurf, wissentlich US-Feinden wie dem Al-Kaida-Netzwerk geholfen zu haben, weist er aber zurück.

Staatsanwalt Joe Morrow sagte in seinem einstündigen Eröffnungsplädoyer am Montag dagegen, dass sich Manning sehr wohl über die Konsequenzen seines Handels im Klaren gewesen sei.

Am Dienstag traten auch zwei Computerexperten der Armee in den Zeugenstand, die Mannings Rechner und Datenträger nach Spuren der Geheimdokumente durchleuchtet hatten.

Manning droht lebenslängliche Haft

In dem auf zwölf Wochen angesetzten Prozess dürften insgesamt hunderte Zeugen aussagen. Bei einer Verurteilung droht dem 25-jährigen Manning im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe.

Wikileaks-Gründer Julian Assange warf den USA vor, einen “Schauprozess” gegen Manning zu führen. “Das Urteil wurde schon lange gefällt”, hiess es in einer auf der Enthüllungswebseite veröffentlichten Erklärung. Der Prozess sei “eine PR-Übung, um der Regierung für die Nachwelt ein Alibi zu verschaffen”.

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