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Zakaria: “Es gibt keinen Anlass abzuheben”

(Keystone-SDA) Der 20-jährige Denis Zakaria ist ein kleines Kraftwerk und ein Akteur mit einem grossen sportlichen Horizont.

Zakaria kam für knapp 12 Millionen Euro, markierte sofort Präsenz, ordnete fehlerlos das Aufbauspiel von Borussia Mönchengladbach und zog mit seiner Dynamik die Bundesliga-Experten in den Bann.

Zakaria könne einem Gegner so richtig wehtun, sagt der Schweizer U21-Coach Heinz Moser über den zentralen Mittelfeldspieler. “Ich glaube an ihn”, betont Vladimir Petkovic vor der drittletzten WM-Qualifikations-Partie gegen Lettland. “Denis ist in Zweikampf- und Pressing-Situationen sehr dominant”, verdichtet Mönchengladbachs Sportchef Max Eberl die Vorzüge des SFV-Talents.

Bei einem möglichen Rückzug von Valon Behrami nach der WM ist ein Nachrücken des Genfers in den Stammkreis des Nationalteams durchaus denkbar. Die Konkurrenz ist allerdings gross – Atalanta-Antreiber Remo Freuler kämpft ebenso um einen Platz im Kader von Petkovic. Im Duell mit Andorra gewährte ihm der Selektionär den vierten Teileinsatz.

Der einst bei Servette vom Stürmer zum defensiven Stabilisator umfunktionierte Fussballer hegt auch ausserhalb der SFV-Auswahl hohe Ambitionen: “Mein Traum ist ein Champions-League-Halbfinal”, sagt er im Interview mit der Nachrichtenagentur sda sport.

Zakaria im Interview:

Nicht jeder Bundesliga-Neuling startet wie Sie – ungeschlagen, mit einer Passerfolgsquote von 97 Prozent und einem Tor. Verspürten Sie beim Start keinerlei Anspannung?

“Ein bisschen Nervosität gehört dazu, aber irgendwie sagte ich mir: Voilà, da bin ich, das ist meine Zeit, ich will mich von der besten Seite präsentieren, ich kann das. Es ging ganz gut auf.”

Ganz gut? Sie wurden mit Komplimenten überhäuft. Wie ordnen Sie alles ein?

“Meine Mitspieler sind mir nicht um den Hals gefallen. Sie sagten bravo, das genügt auch. Es gibt keinen Anlass abzuheben. Ich habe bisher nichts erreicht, es war einfach ein guter Anfang, Punkt.”

Sie begingen auf einer schwierigen Position bisher kaum einen Fehler.

“Ich darf im defensiven Zentrum nicht allzu viele Bälle verlieren, das ist mein Job. Hätten mich die Journalisten hinterher nicht auf meine Quote angesprochen, wäre mir das gar nicht aufgefallen. Für mich sind diese statistischen Werte nicht das Hauptthema.”

Mönchengladbachs Manager Max Eberl hebt Ihre Dynamik hervor, Trainer Dieter Hecking mag ihre Box-to-Box-Qualitäten, Christoph Spycher, ihr alter Chef in Bern, traut Ihnen eine internationale Top-Karriere zu.

“Die Kommentare der Experten hören sich gut an. Selbstverständlich versuche ich immer, mein wahres Gesicht zu zeigen, um ihre Eindrücke zu bestätigen. Ich bin ein Spieler, der mit voller Kraft gegen den Ball arbeitet, der Angriffe abwehren will und jeden Zweikampf annimmt.”

Energisch ohne Ende?

“Ja, ich tue alles mit einer gewissen Energie. Dazu kommt die Kraft, der Drive, mein Ehrgeiz.”

Ihre Entwicklung beschleunigte sich in den letzten zwei YB-Jahren markant.

“Vieles verlief tatsächlich crescendo. Das anschwellende Tempo beeinträchtigt meine Entwicklung nicht, die Geschwindigkeit ist etwas Positives. Ich will nie stillstehen, ich will jeden Tag vorwärtskomme, die Komfortzone verlassen und mein Limit wieder ein wenig nach oben verschieben, etwas Grösseres touchieren.”

Etwas Grösseres? Champions League?

“Von der Champions League träumt jeder Fussballer, sie ist etwas Unglaubliches. Als kleiner Bub sass ich vor dem TV-Gerät. Der FC Barcelona hat mich beeindruckt. Es gab kaum eine bessere Mannschaft in Europa.”

Ousmane Dembélé ist nur ein paar Monate jünger als Sie, sein Transfer-Deal mit Barça erreichte ein Volumen von bis zu 148 Millionen Euro, Paris investierte 222 Millionen in Neymar. Sind diese Dimensionen für Sie überhaupt noch fassbar?

“Die Fussball-Welt ist verrückt. Die von Ihnen genannten Summen sind wahrscheinlich die logische Folge der Tendenz der letzten Jahre: immer schneller, immer weiter, immer höher. Wo die Grenzen sind, weiss niemand.”

Kann ein 20-Jähriger wie Dembélé einer derart gigantischen Erwartungshaltung überhaupt standhalten?

“Für ihn wird die Belastung enorm. Er muss künftig den Unterschied ausmachen, er muss in den nächsten Jahren die Spiele entscheiden. Ous (Dembélé) wird nun mit den Grössten verglichen und an ihren Leistungen gemessen. Aber ich mache mir keine Sorgen um ihn, er ist ein grossartiger Fussballer, er wird reüssieren.”

Sie haben sich um ein Jahr verpasst – schade?

“Ich wäre in der Bundesliga gerne gegen ihn angetreten (schmunzelt).”

Zurück zur Borussia. Der Klub ist eine eigentliche Schweizer Filiale. Pflegen Sie zu allen Nationalteamkollegen in Mönchengladbach enge Kontakte?

“Man unternimmt nicht mit jedem gleich viel. Mit Josip hingegen verbringe ich sehr viel Zeit. Seine schwierige Situation beschäftigt mich. Ich hoffe sehr, dass er zurückkommt.”

Gibt es Zweifel?

“Knieprobleme sind immer kompliziert. Er muss weiterhin daran glauben, ich unterstütze ihn, so gut es geht.”

Sie selber stehen an einem völlig anderen Punkt. Alle Türen stehen offen: im Klub ohnehin, in der Nationalmannschaft zeitnah ebenfalls?

“Ich arbeite hart für das rote Trikot. Ich hoffe natürlich, ein Teil der Zukunft sein zu dürfen. Dafür tue ich alles.”

Granit Xhaka und Valon Behrami sind im Normalfall gesetzt, Gelson Fernandes, Remo Freuler kämpfen ebenfalls um einen Platz im defensiven Mittelfeld – wie beurteilen Sie Ihre Ausgangslage?

“Ich kann auf meine Chance warten und bin vorerst einmal hier, um mich zu zeigen. Titular will am Ende des Tages jeder sein. Gelson, Behrami, Xhaka sind Persönlichkeiten, von denen ich viel lernen kann. Bis jetzt habe ich international noch nicht viel gezeigt. Und in der Nationalmannschaft ist die Konkurrenz beträchtlich – trotzdem will ich irgendwann bereit sein, den nächsten Step zu machen. Es liegt auch an mir, wie weit der Weg ist.”

Im vergangenen Sommer gehörten Sie überraschend zum EM-Kader. Wären Sie enttäuscht, im Falle einer WM-Teilnahme nicht berücksichtigt zu werden?

“Jeder, der momentan mithilft, die Qualifikation zu schaffen, will nach Russland mitfahren. Natürlich wäre ich enttäuscht, würde mich der Coach für die Endrunde nicht aufbieten. Ich bin zwar jung, die Zeit drängt nicht, aber ich bin ambitioniert.”

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