The Swiss voice in the world since 1935

Hinter den Kulissen der Schweizer Diplomatie: Löhne, Fakten, Neutralität

alt
Kai Reusser / swi

Wer sind die Schweizer Diplomatinnen und Diplomaten? Wie arbeiten sie? Wie viel verdienen sie? Und wie funktioniert das in anderen Ländern? Ein Überblick.

Wer die Schweiz als Diplomat:in repräsentiert, vertritt ein Land, das neutral ist und zumindest auf dem Papier niemals Partei ergreift.

Dieser Neutralität haftet zwar stets auch der Vorwurf des Opportunismus an – dank ihrer neutralen Haltung aber konnte sich die Schweiz immer wieder als Friedensvermittlerin positionieren.

Über das diplomatische Korps der Schweiz ist eher wenig bekannt. SWI hat genauer recherchiert und zeigt auf, wie hinter den Kulissen der Schweizer Diplomatie gearbeitet wird.

Welchen beruflichen Hintergrund haben Schweizer Diplomat:innen?

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sucht Personen mit vielfältiger Berufserfahrung sowie Auslandserfahrung bis zum Alter von 30 Jahren.

Zu den Voraussetzungen für eine Bewerbung gehören die Schweizer Staatsbürgerschaft (doppelte Staatsbürgerschaft ist zulässig) sowie gute Fremdsprachenkenntnisse. Die Aufgaben im diplomatischen Korps der Schweiz sind vielfältig und erfordern diverse Profile und Ausbildungen.

Ein früher Eintritt in den diplomatischen Dienst ermöglicht es Diplomat:innen, sich im Rahmen von regelmässigen Versetzungen innerhalb des Korps weiterzuentwickeln und vielleicht irgendwann Botschafter:in zu werden.

Das EDA führte in den 1950er Jahren den diplomatischen Concours ein – ein Einstellungsverfahren, bei dem die Kandidat:innen mehrere schriftliche und mündliche Prüfungen ablegen müssen.

Damals war ein abgeschlossenes Jus-Studium Voraussetzung für die Teilnahme am Concours. Heute kann man sich mit einem Master-Abschluss jeder Studienrichtung bewerben – das EDA stellt Ingenieur:innen, Sozialwissenschaftler:innen, Wirtschaftswissenschaftler:innen und Ärzt:innen ein.

Durch diese Vielfalt an Profilen lassen sich Aufgaben und Rollen leichter übertragen, was die Mobilität zwischen Abteilungen und Auslandseinsätzen erleichtert.

In der Schweiz werden sowohl jüngere als auch ältere Berufsleute in den diplomatischen Dienst aufgenommen, ähnlich wie in Kanada Externer Linkoder den USAExterner Link.

Anders verläuft eine diplomatische Laufbahn in Russland, China oder Japan, wo die meisten Diplomat:innen in jungen Jahren rekrutiert werden und dann intern aufsteigen.

Dort kommt es selten vor, dass jemand nach der Hälfte des Berufslebens aufgrund von Erfahrung und Fachwissen in einen diplomatischen Dienst wechselt.

2. Wie oft werden Schweizer Diplomatinnen und Diplomaten ins Ausland entsandt? 

Schweizer Diplomatie
Diskretion ist oberstes Gebot. Das Schild mit der Schweizer Flagge vor der Schweizer Botschaft in Peking, China. Key

Von Schweizer Diplomat:innen wird erwartet, dass sie vielseitig einsetzbar sind und bereit, sowohl von Bern aus als auch in den Schweizer Vertretungen im Ausland zu arbeiten.

Diplomatische Versetzungen erfolgen in der Regel alle drei bis vier Jahre. Viele Diplomat:innen sind auch in Genf tätig und vertreten die Schweiz bei internationalen Organisationen wie der UNO, der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).

Rund zwei Drittel der diplomatischen Posten der Schweiz befinden sich im Ausland, ein Drittel am Hauptsitz in Bern. Die Schweiz unterhält 104 Botschaften im Ausland, 232 Konsulate und 20 weitere Vertretungen.

Zum Vergleich: Belgien verfügt über 80 Botschaften, 297 Konsulate und 3 Vertretungen. 2024 beschäftigte das EDA über 5300 Personen.

Im Ausland tätig waren davon 375 Diplomat:innen, 472 Konsulatsmitarbeiter:innen, 295 Spezialist:innen für internationale Zusammenarbeit und 2962 vor Ort rekrutierte Angestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen.

3. Wie viele Schweizer Diplomat:innen werden jedes Jahr rekrutiert?  

In der Schweiz erfolgt die Einstellung auf der Grundlage eines offenen Bewerbungsverfahrens, der Sprachkenntnisse und der bisherigen Berufserfahrung.

Um in den diplomatischen Dienst der Schweiz aufgenommen zu werden, muss man den diplomatischen Concours erfolgreich durchlaufen.

Das anspruchsvolle Bewerbungsverfahren des EDA läuft in der Regel einmal pro Jahr. Für eine Bewerbung ist ein Masterabschluss einer Schweizer Universität oder einer anerkannten Institution in der EU oder der EFTA Voraussetzung.

Bei den Sprachkenntnissen wird für mindestens zwei Amtssprachen der Schweiz (Deutsch, Französisch, Italienisch) und für Englisch Niveau C1 gefordert.

Die Kandidat:innen absolvieren sechs mündliche Prüfungen Externer Linkin den Bereichen Völkerrecht, Verfassungsrecht, Politik, Wirtschaft, Geschichte und Allgemeinwissen sowie online eine 90-minütige schriftliche Analyse zu einem von zwei vorgeschlagenen Themen.

Die Zulassungskommission bewertet Hintergrund, Persönlichkeit, Motivation, Stressbewältigung und die Fähigkeit, kritisch zu denken und überzeugend zu argumentieren.

2024 bewarben sich insgesamt 211 Kandidat:innen, 15 (ca. 7,1%.) wurden aufgenommen. Das aktuelle Bewerbungsverfahren (diplomatischer Concours)Externer Link läuft noch bis 16. Juni 2025. 

4. Sind Schweizer Diplomat:innen wirklich neutral?

Die Neutralität der Schweiz wird immer wieder kritisiert. Es wird bemängelt, die Schweiz sei in ihrer Aussenpolitik entweder zu passiv, zu opportunistisch oder zu sehr wirtschaftlich motiviert.

Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine warf Russland der Schweiz vor, ihre Neutralität aufgegeben und eine pro-ukrainische Haltung eingenommen zu haben, weil sie das kriegsversehrte Land unterstützt und ihm Hilfe leistet. Die EU hingegen begrüsste die Sanktionen der Schweiz gegen russische Vermögenswerte. 

Schweizer Diplomatie
US-Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin bei Verhandlungen 2021 in Genf. Pool Photo via AP / Denis Balibouse

Für die Schweizer Diplomat:innen bedeutet Neutralität nicht, Kritik zurückzuhalten. Die Schweiz hat in der Vergangenheit immer wieder Sanktionen gegen Länder, Personen und Organisationen verhängt.

Sie tut dies seit vielen Jahren entweder in Abstimmung mit der EU oder durch die Umsetzung von Sanktionen, die vom UNO-Sicherheitsrat beschlossen wurden.

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine schloss sich die Schweiz der EU an, erliess eine Reihe von Sanktionen gegen Russland und aktivierte für ukrainische Staatsbürger:innen den Flüchtlingsstatus (Schutzstatus S). Ausserdem fror sie russische Vermögenswerte in Höhe von CHF 7,4 Mrd. ein.

5. Sind Schweizer Diplomat:innen reich?  

Hochrangige Diplomaten, insbesondere Botschafter, haben bisweilen relativ hohe LöhneExterner Link (31’000 Franken pro Monat bzw. 405’000 pro Jahr, Gehaltsklasse 38Externer Link) – dies ist jedoch nicht die Regel.

Die meisten Schweizer Diplomat:innen beginnen bei rund 106’000 Franken pro Jahr, was ca. 8185 Franken pro Monat entspricht (vor Steuern und Abzügen). Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahresgehalt in der Schweiz beträgt 81’456 Franken.

Die Tätigkeit von Diplomat:innen ist mit langen Arbeitszeiten, politischem Druck und Versetzungen alle drei bis vier Jahre verbunden. Die Arbeitsorte reichen von Genf oder New York bis hin zu Konfliktgebieten oder abgelegenen Hauptstädten.

Unterbringung und Sozialleistungen sind je nach Land und Posten sehr unterschiedlich. Abgesehen von formellen Empfängen und dem diplomatischen Protokoll umfasst der Aufgabenbereich von Diplomat:innen oft Verhandlungen, Notfallmassnahmen und Krisenmanagement.

2025 verdienten Beamt:innen im Auswärtigen Dienst der Vereinigten Staaten ein jährliches GrundgehaltExterner Link von USD 34’454 bis 162’672, je nach Personalkategorie.

Zudem erhalten US-Diplomat:innen im Ausland einen Zuschlag von 22,62% – eine Anpassung, die die Vergleichbarkeit der Gehälter mit der Privatwirtschaft ermöglicht.

Mit diesem Zuschlag können sich Spitzengehälter auf bis zu USD 195’200 Dollar pro Jahr belaufen. Dies entspricht ungefähr auch der Vergütung für Schweizer Diplomat:innen.  

Wie viel verdienen Diplomatinnen und Diplomaten in aller Welt?

Externer Inhalt

6. Wer bestimmt die Schweizer Aussenpolitik?  

In der Schweiz folgt der diplomatische Dienst keiner klar definierten politischen Hierarchie. Er ist im EDA angesiedelt und somit dem Aussenminister unterstellt, arbeitet also indirekt für den Bundesrat (Exekutivorgan), in dem alle sieben Mitglieder – einschliesslich des Aussenministers – gleichberechtigt sind.

Entscheidungen zur Aussenpolitik werden gemeinsam nach dem Kollegialprinzip getroffen, nicht auf präsidiale Anweisung oder durch ministeriellen Erlass.

Das EDA funktioniert damit anders als die Aussenministerien von Russland, Frankreich oder den Vereinigten Staaten. In Russland wird das Aussenministerium sehr direkt vom Kreml gesteuert.

Der russische Aussenminister Sergej Lawrow untersteht direkt dem Präsidenten Wladimir PutinExterner Link, die russische Diplomatie folgt einer vertikalen Machtstruktur ohne Spielraum.

Der französische Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten ist der französisch-schweizerische Doppelbürger Jean-Noël Barrot.

Als Aussenminister ist er zwar eine ranghohes Regierungsmitglied, strategische Entscheidungen werden aber vom Präsidenten Emmanuel Macron getroffen. In den USA wurde Marco Rubio von Präsident Donald persönlich für den Posten des Aussenministers nominiert.

Das amerikanische Aussenministerium gilt zwar als schlagkräftige Institution, handelt aber trotzdem kaum je unabhängig vom Weissen HausExterner Link. In der Schweiz spiegelt das Aussenministerium die Neutralität und den Föderalismus des Landes wider.

Für die Aussenpolitik ist das EDA nicht allein zuständig – sie wird im Rahmen eines breiteren nationalen Konsenses definiert und umgesetzt. Zu Beginn jeder Legislaturperiode definiert der Bundesrat die Aussenpolitik für die nächsten vier Jahre.  

7. Verhandelt die Schweiz auch im Geheimen und über Kommunikation durch die Hintertür?  

Dass in der Schweiz im Geheimen verhandelt wird, ist kein Mythos. In den jüngsten Monaten fanden in der Schweiz inoffizielle Gespräche zwischen amerikanischen und russischen Persönlichkeiten Externer Linkhinter verschlossenen Türen statt.

Bei den Teilnehmenden handelte es sich zwar nicht um offizielle Vertreter, einige kommen aber aus den Bereichen Diplomatie und Sicherheit.

Diese Treffen in der Übergangszeit nach den US-Wahlen unterstreichen die Rolle der Schweiz als neutraler Gesprächsort für sensible Angelegenheiten.

Als neutrales Land blickt die Schweiz auf eine lange Tradition als diskrete Vermittlerin zurück. Im Rahmen ihrer «Guten Dienste» bietet sie Ländern, die sich in einem Konflikt befinden, ihre Unterstützung an und vermittelt zwischen den Konfliktparteien.

In den letzten Jahrzehnten hat sie beispielsweise die Interessen der USA gegenüber Iran und Kuba vertreten und Gespräche zwischen der Türkei und Armenien vermittelt, die 2009 zu den Zürcher ProtokollenExterner Link führten.

Die beiden von Armenien und der Türkei unterzeichneten Protokolle enthielten Bestimmungen für die Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Editiert von Virginie Mangin /gm, Übertragung aus dem Englischen: Lorenz Mohler

Mehr
Newsletter sobre a política externa

Mehr

Unser Newsletter zur Aussenpolitik

Die Schweiz in einer Welt, die sich bewegt. Beobachten Sie mit uns die Schweizer Aussenpolitik und ihre Entwicklungen – wir liefern die Vertiefung dazu.

Mehr Unser Newsletter zur Aussenpolitik
Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft