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Malaysia: Der Bruno Manser Fonds sucht mit einem Theater Gerechtigkeit für die Penan

Das Regenwald-Tribunal im Scala, Basel
Der Umweg über die Kunst ist manchmal der schnellste Weg zur Wirklichkeit: Die Jury und das Gerichtspräsidium des Regenwald-Tribunals. swissinfo.ch

Die Justiz soll Recht sprechen und den Betroffenen Gehör verschaffen. Was aber, wenn ein Unrecht nicht vor Gericht kommt? Ein inszenierter Gerichtsfall in der Schweiz thematisierte die massive Abholzung des malaysischen Regenwalds und zeigt: Manchmal hilft ein Theater dabei, die Realität zu überführen.

Eine rein symbolische Veranstaltung sei es, wurde mehrmals beim Regenwald-TribunalExterner Link erwähnt. Nun besteht Politik aber zu einem grossen Teil aus Symbolik. Insofern handelte es sich beim Tribunal um «politisches Theater», organisiert vom Bruno Manser Fonds in Basel. Auf einer Bühne gingen ein Gerichtspräsident, eine Gerichtsschreiberin, eine siebenköpfige Jury, die Anklage und eine rotierende Zeugenschaft der Frage nach: Wer ist schuld an der massiven Abholzung des Regenwalds im malaysischen Teil der Insel Borneo? Und: Wo ist das damit verdiente Geld hin?

Die Realität übersteigt manchmal die Vorstellungskraft der Menschen. Darum bedienen wir uns seit jeher Geschichten, kuratieren die Wirklichkeit, um sie anderen zugänglich zu machen. Und in diesem Fall ist die Geschichte so packend wie empörend: Es geht um den Kampf der nomadischen Penan, es ist die Geschichte des Widerstands gegen eine mechanisierte Moderne, die auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen basiert, ohne Rücksicht auf Umwelt, Biodiversität und einem indigenen Kultur- und Lebensraum. Diese hässliche Moderne attackiert mithilfe von Bulldozern und Kettensägen den unberührten Regenwald – die Penan können ihr nur ihre Körper entgegenstellen.

Bruno Manser und zwei Penan
Bruno Manser zeigt ein Seperut, einen Talisman des Penan Volkes, zusammen mit Along Sega, einem Häuptling der Urwaldnomaden von Long Adang, der ein Blasrohr und einen Köcher trägt und einem weiteren Penan, um 1996. Bruno Manser Fonds Basel

Die Penan haben aber auch Freunde, mit deren Hilfe sie ihre Geschichte internationalisiert haben. In der Schweiz ist vor allem der Ethnologe und Aktivist Bruno Manser bekannt, der sich lautstark für sie einsetzte. Manser ist 2000 in Malaysia verschollen, der nach ihm benannte Fonds führt den Kampf seither fort. In diesem Sinn ist auch das inszenierte Tribunal zu verstehen, in dem Gäste aus der betroffenen Region und Expert:innen den Fall behandeln.

Sarawak: Eine beispielslose Regenwald-Abholzung

Zentraler Schauplatz dieser Geschichte ist der Bundesstaat Sarawak, der zu Malaysia gehört und auf der Insel Borneo liegt. Der Regenwald von Sarawak war wichtig für die Wissenschaft, Expeditionen in den 1970er-Jahren dorthin führten zu einem vertieften Verständnis solcher Ökosysteme. Dies wurde auch zu einer Keimzelle der weltumspannenden Regenwald-Bewegung, die sich dem Umweltschutz und dem Erhalt der Biodiversität verschrieben hatte, lange vor der heutigen Klimabewegung.

Der Zeugenstand des Regenwald-Tribunals
Abholzung, Vertreibung, Profitgier: Am Zeugenstand wurde Klartext gesprochen. swissinfo.ch

Geblieben ist nicht viel: Heute ist noch 5% des Urwalds intakt, der früher praktisch den ganzen Bundesstaat abgedeckt hat – nirgendwo fand eine Abholzung statt, die auch nur vergleichsweise so umfassend war. Am Anfang stand der Hunger nach Tropenholz, der nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem von Japan ausging und später die ganze Welt erfasste. Sarawak war zeitweise der mit Abstand grösste Exporteur von Tropenholz weltweit, obwohl die Region gerade einmal 0,7% der globalen Waldfläche ausmachte. Rechtliche Konsequenzen hatte das Ganze bis heute praktisch keine.

Eine zentrale Figur – quasi der Gegenspieler Mansers – ist Abdul Taib Mahmud, der von 1981 bis 2014 als Regierungschef von Sarawak amtete. Die Zeit, in der am meisten abgeholzt wurde. Taib und seine Familie haben ein grosses Vermögen angehäuft. Dessen Ursprung können sie nicht nachweisen, gehen jedoch regelmässig gerichtlich gegen jene vor, die ihnen Korruption vorwerfen.

Das ist in einem gewissen Sinne der Ursprung des Tribunals: Denn einen Tag danach begann in Basel eine zivilrechtliche Klage gegen den Bruno Manser Fonds; die Tochter von Taib klagt auf Persönlichkeitsverletzung. Das ist nun kein Theater, sondern ein echter Gerichtsfall.

Die Penan: zerrüttete Vergangenheit und ungewisse Zukunft

Das Regenwald-Tribunal ist inspiriert worden vom Kongo-TribunalExterner Link des Schweizer Regisseurs Milo Rau, das in einer Art zivilem Weltwirtschaftsgericht die kriegerischen Ereignisse im Kongo und den Zusammenhang mit der Ausbeutung natürlicher Ressourcen der letzten zwei Jahrzehnte thematisierte. Es war ein Projekt gegen das Vergessen, über eine Region, die im Westen nur wenig Aufmerksamkeit erhielt, obwohl sie über den Rohstoffsektor eigentlich sehr eng verbandelt sind.

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Gleiches kann über die Geschichte von Sarawak gesagt werden, die nicht nur aus Umweltschutzgründen wichtig ist, sondern auch Fragen aufwirft betreffend transnationale Kriminalität und dem Verschieben von verdächtigen Finanzmitteln.

Folgerichtig standen die Penan im Zentrum des Tribunals – als Zeuginnen und Zeugen. Sie gaben Auskunft darüber, wie sich Sarawak in den letzten Jahrzehnten veränderte. Die älteren unter ihnen kannten Bruno Manser teilweise persönlich, führten den Kampf gemeinsam. Die jüngeren sind bereits in einer anderen Welt aufgewachsen, nicht mehr nomadisch im Wald, sondern in der Stadt, als Teil einer global vernetzten Generation. Das Gefühl der ungerechten Behandlung teilen sie alle, der kämpferische Geist ist erhalten geblieben, ebenso die Identifikation mit der eigenen Herkunft.

Wie soll es weitergehen mit den Penan? Und kann es sie überhaupt noch geben, wenn es ihre Umgebung nicht mehr gibt? Ihr Lebensraum ist grösstenteils verschwunden, aber ihr Wissen ist noch da. Sie bieten sich der malaysischen Regierung an, um Wälder und Naturparks zu bewirtschaften. Und sie warnen vor einer Ausweitung der landwirtschaftlichen Monokulturen, die sich in Sarawak ausbreiten: Malaysia und Indonesien produzieren 80% der weltweiten Palmöl-Angebots, was zu Lasten der Biodiversität und Bodenbeschaffung geht – die Region kommt nicht zur Ruhe.

Abschliessende Antworten zur Zukunft der Penan kann kein Gericht geben, weder ein echtes noch ein inszeniertes. Ein zentrales Element der Justiz ist es hingegen, den Opfern Gehör zu verschaffen, damit sie mit vergangenem Unrecht abschliessen können und Frieden finden können. Die Penan und ihre Freunde scheinen sich damit jedoch nicht zufriedenzugeben, denn die im Tribunal gestellte Frage nach dem Geld ist – obwohl die Ereignisse teilweise lange zurück liegen – für sie noch lange nicht abgeschlossen.

Lange sah es danach aus, dass das Geld weg war. Die Chancen, es wieder zu finden, schienen gering. Aber vielleicht ist es doch nicht ganz so eindeutig? Das Leak der Pandora Papers von 2021 umfasste auch Dokumente mit einem Bezug zur Familie von Taib – so wurde etwa bekannt, dass im amerikanischen Seattle das FBI in einem Gebäude eingemietet ist, dass sich in ihrem Besitz befindet, versteckt hinter einer verdächtig umständlichen Firmenstruktur. Aktivist:innen machen seither Druck, den Vermögensverhältnissen nachzugehen, mit dem Verdacht auf Geldwäsche. Vielleicht ist der Fall um die Abholzung des Regenwalds in Sarawak gar nicht abgeschlossen. Sondern geht in einen nächsten Akt über, der sich in einem echten Gericht abspielen könnte.

Editiert von David Eugster.

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