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Celesio/Staatliche Sparmassnahmen drücken auf Gewinn (AF)

STUTTGART (awp international) – Beim Stuttgarter Pharmahändler Celesio belasten in diesem Jahr staatliche Einsparungen im europäischen Gesundheitsmarkt zunehmend den Gewinn. Hinzu kommen ein härterer Wettbewerb im deutschen Arzneimittelgrosshandel sowie eine schwächere Entwicklung der Pharmamärkte in Frankreich, Portugal und Dänemark. Die Analystenschätzungen für den operativen Gewinn (EBITDA) seien mit durchschnittlich 660 Millionen Euro zu optimistisch, warnte der scheidende Celesio-Chef am Freitag in einer Telefonkonferenz.
?Wir sehen aus heutiger Sicht den unteren Korridor beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen bei 600 Millionen Euro.? Die Gewinnprognosen der Analysten lagen bis zur Ankündigung des Unternehmens zwischen 630 bis 690 Millionen Euro. 2010 hatte Celesio noch knapp 700 Millionen Euro erwirtschaftet. Bislang hatte die im MDax notierte Gesellschaft noch keinen konkreten Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr gegeben.
AKTIEN BRECHEN EIN
Am Aktienmarkt wurde der bereits am Donnerstagabend veröffentliche Ausblick von Celesio als eine Gewinnwarnung aufgenommen. Die Aktien des Pharmahändlers brachen in einem insgesamt schwachen Marktumfeld bis zum Mittag um 12,75 Prozent auf 13,14 Euro ein. Im frühen Handel waren die Papiere mit 12,505 Euro auf ein Rekordtief gefallen. Das Analysehaus Equinet betonte, dass die wesentlichen Probleme des Pharmagrosshändlers die Regulierungsmassnahmen nach der Finanzkrise sowie sinkende Umsätze in Schlüsselmärkten seien. Alles in allem bezeichnete Analyst Martin Possienke die Situation für das Unternehmen als schwierig.
Schon bei Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal bereitete die mehrheitlich zum Mischkonzern Haniel gehörende Gesellschaft den Markt auf ein schwieriges Jahr vor: “Wir gehen für 2011 inzwischen allein bei den direkten staatlichen Massnahmen von Belastungen in Höhe von 120 Millionen Euro aus. Zudem schlägt die Zuspitzung der Schuldenkrise in mehreren europäischen Ländern immer stärker auf unser Geschäft durch”, sagte Oesterle. Noch im Mai war Celesio von einer Belastung auf das Ergebnis von mindestens 100 Millionen Euro ausgegangen.
PROBLEMLAND PORTUGAL
Vor allem in Portugal machen Celesio die staatlichen Kürzungen im Gesundheitswesen zu schaffen. ?Der portugiesische Pharmamarkt ist um elf Prozent eingebrochen. Auch in den kommenden Monaten wird sich die Lage verschärfen?, warnte Oesterle. ?Dieser Effekt wird sich dann auch zunehmend auf den Grosshandel auswirken, auch auf das Geschäft von Celesio.? Die Stuttgarter besitzen in dem Land einen Pharmagrosshändler. Von den Wirtschaftsproblemen in Spanien und Griechenland ist Celesio hingegen nicht betroffen. ?Wir sind weder in Griechenland noch in Spanien tätig?, so der Celesio-Chef.
Zunehmend drücken auch die Kürzungen der Erstattungspreise für Nachahmermedikamente in Grossbritannien auf das Ergebnis. Grossbritannien ist für Celesio der wichtigste Markt für sein Apothekengeschäft. Dort betreiben die Stuttgarter die Apothekenkette Lloydspharmacy. Auf die staatlichen Preiseingriffe will Celesio mit den schnelleren Ausbau des nicht regulierten Geschäfts bei Lloydspharmacy reagieren. So soll zusätzlich ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag in neue Dienstleistungen sowie in das OTC-Geschäft (freiverkäufliche Medikamente) investiert werden.
‘ZUKÄUFE NOTWENDIG’
“Insgesamt unterstreichen diese Entwicklungen die Notwendigkeit, das nicht regulierte Geschäft deutlich auszubauen, nicht zuletzt durch grössere Akquisitionen und Transaktionen”, erklärte Oesterle. “Wir haben auch das entsprechende Kapital.” Früheren Ausgaben könnte das Unternehmen bis zu eine Milliarde Euro für Zukäufe ausgeben. Allerdings sei der kurzfristige Ausbau des Geschäfts mit dem Wechsel an der Celesio-Spitze schwierig, fügte Oesterle hinzu.
Oesterle verlässt Celesio Ende Juni, nach Informationen aus Branchenkreisen wegen der Auseinandersetzung um die künftige Ausrichtung. Ein Nachfolger wurde bisher nicht präsentiert. Details zur aktuellen Geschäftsentwicklung wird Celesio mit den Halbjahreszahlen am 11. August veröffentlichen./mne/ep/fn

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