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CH/Bausparen: Geradeaus zum Gesetz statt Umweg über Volksinitiativen

Bern (awp/sda) – Mit Stichentscheid des Präsidenten hat der Ständerat am Donnerstag den indirekten Gegenentwurf zur Bausparinitiative und zur Initiative “Eigene vier Wände dank Bausparen” beschlossen. Stimmt der Nationalrat auch zu, umgeht das Parlament einen heiklen Volksentscheid.
Die beiden Initiativkomitees haben den Rückzug ihrer Volksbegehren angekündigt, sollte das Parlament dem Gegenvorschlag zustimmen. Der erste Schritt ist getan: mit 18 zu 17 Stimmen und 3 Enthaltungen hat der Ständerat den Weg für den Gegenvorschlag auf Gesetzesebene geebnet.
Robert Cramer (Grüne/GE) fürchtet deshalb die Einführung des Bausparens durch die Hintertüre. 1999 und 2004 habe das Volk ähnliche Vorlagen versenkt. Mit dem indirekten Gegenvorschlag werde nun das Volk umgangen, kritisierte er. Denn nur wenn das Referendum ergriffen werde, könne das Volk seine Meinung dazu kundtun.
Konkret sieht der Gegenvorschlag vor, dass Haushalte von ihren Einlagen auf ein Bausparkonto jährlich 10’000 Franken vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Dies sollen sie während höchstens zehn Jahren tun dürfen. Spätestens fünf Jahre danach müssen sie mit dem Geld ein Eigenheim kaufen – oder die Steuern nachzahlen.
Die Vorlage orientiert sich an der Initiative “Eigene vier Wände dank Bausparen”. Sie sei jedoch moderater und pragmatischer, erklärte Werner Luginbühl (BDP/BE).
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf konnte jedoch auch dem indirekten Gegenvorschlag des Ständerates nichts Positives abgewinnen. Er sei zwar besser als die Volksinitiativen, was aber nicht heisse, er sei gut.
Zunächst würde die Zielgruppe, Junge und Personen mit Einkommen von 60’000 bis 100’000, nicht erreicht. Profitieren würden Menschen mit höheren Einkommen – und das sei nicht die Mehrheit im Land.
Sie führte weiter ökonomische Bedenken an: Haushalte würden zwar bausparen, dafür aber andere Ausgaben nicht tätigen. Dies habe volkswirtschaftliche Folgen. Ausserdem verkompliziere die Vorlage das Steuersystem noch weiter und führe zu ungelösten Fragen bei der Rechtsgleichheit von Steuerpflichtigen.
Das Argument, wonach der Erwerb von Wohneigentum aufgrund der geringen Wohneigentumsquote der Schweiz (39%) gefördert werden müsse, liess die Finanzministerin ebenfalls nicht gelten. Nur einige wenige Stadtkantone wiesen tiefe Quoten auf, wohingegen zahlreiche ländliche Kantone Wohneigentumsquoten von über 50% aufwiesen.
Die Debatte im Ständerat war zum einen geprägt von ordnungspolitischen Bedenken – konkret der Verkomplizierung der Steuererhebung und des Steuersystems – und zum anderen von sozialpolitischen Argumenten.
Profiteure seien diejenigen mit hohen Einkommen, sagte Alain Berset (SP/FR). “Oder glauben Sie wirklich, das es viele junge Familien gibt, die es vermögen, jährlich so viel Geld auf die Seite zu legen?” Eine weitere Konsequenz seien teurere Boden- und Häuserpreise.
Ausserdem sollte es den Ständerat stutzig machen, dass sich in der Vernehmlassung 22 Kantone vehement gegen die Vorlage ausgesprochen hätten. Ein Argument, das auch Dick Marty (FDP/TI) eindringlich vorbrachte.
Zudem entferne man sich immer weiter von der Idee der Steuererklärung auf einem Bierdeckel: Der Gegenvorschlag mache diese nur noch komplizierter. Die Lösung sei auch realitätsfremd, denn heute werde von Jungen Mobilität verlangt und Auslandaufenthalte seien beliebt.
Das letzte Wort ist in der Sache nicht gesprochen. Zwar hat die nationalrätliche WAK den ständerätlichen Vorschlag begrüsst. Doch hatte der Nationalrat zuvor beide Initiativen zur Annahme empfohlen.
Kommt hinzu, dass eine weitere Initiative “Sicheres Wohnen im Alter” hängig ist. Sie will Rentnerinnen und Rentnern das Recht einräumen, den Eigenmietwert nicht mehr zu versteuern. Im Gegenzug wären die mit dem Wohneigentum verbundenen Schuldzinsen nicht mehr von den Steuern abziehbar. Der Bundesrat hat einen Gegensvorschlag erarbeitet, den die ständerätliche Kommission angepasst hat.
cf

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