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CH/Bundesrat lehnt Ferien-Initiative ohne Gegenvorschlag ab

Bern (awp/sda) – Die Arbeitnehmenden in der Schweiz sollen nach Ansicht des Bundesrats nicht allesamt Anrecht auf mindestens sechs Wochen bezahlte Ferien haben. Der Bundesrat lehnt die Ferien-Initiative des Gewerkschaftsdachverbands Travail.Suisse ab.
Längere Ferien könnten den Spielraum für andere Formen von Arbeitszeitverkürzungen oder Lohnerhöhungen einschränken und sich damit für gewisse Arbeitnehmende als nachteilig erweisen, begründet der Bundesrat seine Ablehnung.
Deshalb will er dem im Juni 2009 eingereichten Volksbegehren “6 Wochen Ferien für alle” auch keinen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Er lehnt insbesondere auch eine Regelung des Feriensanspruchs auf Verfassungsstufe ab.
Mit dem Volksbegehren möchte Travail.Suisse den gesetzlichen Ferienanspruch innerhalb von 6 Jahren von derzeit 4 auf 6 Wochen anheben. Der Verband begründet das Anliegen mit der in den letzten Jahren stetig gestiegenen Arbeitsbelastung.
Längere Ferien seien gut für die Gesundheit der Arbeitnehmenden. Zudem liessen sich Beruf und Familie besser unter einen Hut bringen. Vor allem sei ein höherer Ferienanspruch auch wegen der gestiegenen Arbeitsproduktivität gerechtfertigt.
Der Bundesrat teilt zwar die Meinung der Initianten, dass von der gestiegenen Arbeitsproduktivität auch die Arbeitnehmenden profitieren sollen. Er mag aber den Arbeitgebern nicht dreinreden, in welcher Form sie den Produktivitätsgewinn an die Arbeitnehmenden weitergeben sollen.
Ferien stünden dabei nicht einseitig im Vordergrund, argumentiert der Bundesrat. Für viele Arbeitnehmende sei die tägliche Arbeitszeit beziehungsweise die Höhe des Lohns ein Kriterium, das mindestens ebenso wichtig sei. Zudem seien die Bedürfnisse je nach Branche unterschiedlich.
Wie die Initianten glaubt acuh der Bundesrat, dass Ferien zum Wohlbefinden der Arbeitnehmenden und damit zu deren Gesundheit beitragen. Ein Anspruch auf längere Ferien allein erweise sich aber nicht zwingend als vorteilhaft, schränkt die Regierung ein.
Beispielsweise garantierten längere Ferien nicht, dass der Arbeitgeber zusätzliches Personal anstelle. Sehe er davon ab, bedeuteten längere Ferien auch längere Arbeitszeiten und zusätzlichen Stress am Arbeitsplatz.
Gemäss heutigem Obligationenrecht stehen den Arbeitnehmenden in der Schweiz pro Jahr vier Wochen Ferien zu. Wer unter 20 Jahre alt und berufstätig ist, hat Anspruch auf fünf Wochen Ferien. Arbeitgeber können aber auch mehr Ferien gewähren.
In Branchen mit Gesamtarbeitsverträgen gelten insbesondere für ältere oder langjährige Arbeitnehmenden oft günstigere Ferienregelungen. Einen guten Ruf geniesst diesbezüglich die SBB. Sie gewährt allen Mitarbeitenden über 21 Jahren fünf Wochen und einen Tag Ferien. Über 50-Jährige und unter 21-Jährige kriegen 6 Wochen und einen Tag, über 60-jährige sieben Wochen und einen Tag.
Der Bundesrat lässt nun bis Mitte Jahr vom Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) eine Botschaft zur Ablehnung der Initiative ausarbeiten. Sie wird danach den Eidg. Räten zugeführt.
tp

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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