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CH/Fleischverband: Jede Woche verschwindet in der Schweiz eine Metzgerei

Zürich (awp/sda) – In der Schweiz macht jede Woche eine Metzgerei dicht. Trotz dieses “Metzgereisterbens” leidet die Branche unter Nachwuchsproblemen. Grosse Sorgen bereitet dem Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF) zudem der Einkaufstourismus ins benachbarte Ausland.
Vom Strukturwandel und Konzentrationsprozess im Lebensmittelhandel seien auch die Fleischfachgeschäfte nicht ausgenommen, sagte SFF-Präsident Rolf Büttiker am Donnerstag vor den Medien in Zürich. In den letzten 10 Jahren sei die Zahl der gewerblichen Metzgereien um rund 500 auf heute noch etwa 1400 geschrumpft.
Diese aus Sicht der Fleischwirtschaft negative Entwicklung habe auch eine positive Kehrseite, sagte Büttiker. Die traditionellen Metzgereien mit ihren in die Nachkriegszeit zurückreichenden Wurzeln machten modernen Fleischfachgeschäften Platz, die sich durch eine zeitgemässe Ladeninfrastruktur und hohe Fachkompetenz des Personals auszeichneten.
Allen Unkenrufen zum Trotz habe der gewerbliche Fleischfachbetrieb auch heute noch intakte Überlebenschancen und Wachstumspotenziale, erklärte Barbara Ehrbar-Sutter. Seit 2007 leitet die gelernte Marketingfrau die Breitenmoser Fleischspezialitäten AG mit dem Stammgeschäft in Appenzell und zwei Filialen in Gais und Teufen AR.
Entscheidend für das Überleben seien Qualität bei Produkten und Dienstleistungen sowie ein breites Sortiment an Beilagen von Antipasti über Fisch bis zu Weinen, betonte die Unternehmerin. “Unser Ziel muss das wachsende Segment an qualitätsbewussten Konsumenten sein”.
Ein grosses Sorgenkind der Schweizer Fleischwirtschaft sei der Mangel an geeigneten Fachkräften, sagte der stellvertretende Direktor des SFF, Elias Welti. Trotz guten Karrieremöglichkeiten blieben jährlich Hunderte von Lehrstellen unbesetzt.
Ein Grund dafür sieht Welti im schlechten Image des Berufes. In vielen Köpfen werde der Fleischfachmann noch mit einem Schlächter gleichgesetzt, der mit dem grossen Messer in der Hand und der blutbefleckten Schürze einfache Tätigkeiten verrichtet.
Das Schlachten werde heute jedoch nur noch von wenigen Betrieben praktiziert. Nur rund ein Drittel der Lernenden wähle den Schwerpunkt Schlachten, die andern zwei Drittel konzentrierten sich auf die Fleischverarbeitung und -veredelung.
Ein sehr ernsthaftes Problem stelle auch die Konkurrenz durch Universitäten und Fachhochschulen dar, die dank staatlicher Unterstützung eine finanziell interessante Alternative zur Meisterprüfung darstellten. Die Ausbildung zum Metzgermeister koste schnell einmal 100’000 CHF, stellte Welti fest, während ein dreijähriges Hochschulstudium ganze 4’000 CHF an Studiengebühren koste.
Der Bund unterstütze die höhere Berufsbildung mit rund 140 Mio CHF pro Jahr, die Hochschulen dagegen mit 6 Mrd. Diese Ungleichbehandlung sei unverständlich, weil die Wirtschaft Metzgermeister als Kaderleute oder Unternehmer dringend nötig habe. Der SFF fordert deshalb eine stärkere staatliche Förderung der höheren Berufsbildung.
Mit wachsender Sorge beobachtet der Branchenverband den durch die Euroschwäche verstärkten Grenztourismus. Der SFF geht davon aus, dass jährlich für rund 1 Mrd CHF Fleisch ennet der Grenze eingekauft wird. Das entspreche rund einem Sechstel des gesamten Detailhandelsumsatzes mit Fleisch, erklärte Rolf Büttiker. Dies komme einer “realen, einseitigen Grenzöffnung” gleich.
Zu schaffen macht der Fleischbranche laut SFF-Direktor Ruedi Hadorn auch die zunehmende Bevormundung von Produzenten und Konsumenten durch eine “ausufernde Lebensmittelgesetzgebung”. Bald könnten Konsumenten nicht mehr selber entscheiden, was auf den Teller komme. Eine solche Bevormundung lehne der SFF ab.
Erneut unterstrich der SFF an der Jahresmedienkonferenz die Ablehnung von so genanntem Klonfleisch. Aus ethisch-moralischen Gründen dürfe solches Fleisch in der Schweiz nicht zugelassen werden, auch wenn es gemäss Studien der europäischen Behörden für die Lebensmittelsicherheit völlig unbedenklich sei.
Hoch erfreut zeigten sich die SFF-Verantwortlichen über den anhaltend hohen Fleischkonsum. Pro Person kamen im vergangenen Jahr 53,6 Kilogramm Fleisch auf den Tisch. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Zunahme von 3,3%. Am häufigsten konsumiert wurde Schweinefleisch. Über 80% des verzehrten Fleisches stammte aus der Schweiz.
mk

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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