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CH/Leuenberger fordert neues Modell für Verkehrsfinanzierung

Bern (awp/sda) – In den nächsten zwanzig Jahren kosten Ausbau und Unterhalt von Strasse und Schiene in der Schweiz bis zu 135 Mrd CHF. Mit den heutigen Finanzierungsquellen ist das laut Bundesrat Moritz Leuenberger nicht zu bezahlen. Er fordert deshalb neue Instrumente.
Dabei gehe es nicht darum, einfach eine neue Steuer einzuführen, wie der Verkehrsminister am Dienstag anlässlich der Präsentation eines Berichts über die Zukunft der nationalen Infrastrukturnetze erklärte. Die neuen Finanzierungsinstrumente sollten vielmehr die bisherigen Quellen ablösen und mithelfen, die Verkehrsflüsse optimal auf die Infrastruktur zu verteilen, sagte er.
Automobilisten und Bahnreisende sollen etwa für die Nutzung einer stark befahrenen Hauptachse spürbar mehr bezahlen müssen als für die Fahrt auf einer wenig befahrenen Nebenstrecke. Auch wer in Stosszeiten unterwegs ist, soll mehr zahlen als in Randzeiten.
Laut Leuenberger geht es bei der Eisenbahn aber nicht darum, so differenzierte Bahntarife einzuführen wie etwa in Frankreich, wo praktisch jede Fahrt je nach Tageszeit einen anderen Preis hat. Den Experten aus seinem Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) schwebt aber vor, dass die Bahnbilette zwischen 7 und 9 Uhr morgens 20% teurer sind.
Ziel sei es, z.B. Wandergruppen dazu zu bringen, auf die Fahrt in Pendlerzügen zu verzichten. Gleichzeitig müsse aber der Preis eines S-Bahnbilletts so gestaltet sein, dass es immer noch einen Anreiz zum Umstieg von der Strasse auf die Schiene gebe, sagte Leuenberger.
Das neue System soll kostendeckend, verursachergerecht und verkehrslenkend sein. Auf der Strasse schweben den Experten elektronische Erfassungssysteme vor. Je nach Strasse sollen andere Tarife erhoben werden.
Den Handlungsbedarf begründet Leuenberger mit zunehmenden Anforderungen an die Verkehrsnetze. Die Experten erwarten für die nächsten Jahre ein deutliches Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und deshalb eine höhere Nachfrage. So soll der Personenverkehr bis 2030 auf der Strasse um 20% und auf der Schiene um 45% zunehmen.
Beide Verkehrsträger stossen aber schon heute an Kapazitätsgrenzen. Zudem werde sich auch bei der Finanzierung des Strassenverkehrs eine Finanzierungslücke öffnen, warnte UVEK-Generalsekretär Hans Werder.
Da in Zukunft immer mehr Autos mit Strom unterwegs sind, werden die Erträge aus den Treibstoffabgaben sinken. Bereits 2015 soll die Spezialfinanzierung Strasse aus dem Lot geraten.
Der Finanzbedarf für den Ausbau und Unterhalt von Strasse und Schiene zwischen 2010 und 2030 beträgt laut UVEK-Zahlen insgesamt 126 bis 135 Mrd CHF. Mit 64 Mrd CHF enfällt knapp die Hälfte davon auf die Strasseninfrastruktur.
Der Strategiebericht geht nun in eine öffentliche Anhörung. Leuenberger möchte ihn bis Anfang 2010 vom Bundesrat verabschieden lassen.
Der Bericht enthält nicht nur Angaben zum Verkehr. Er zeichnet erstmals ein Gesamtbild über alle Infrastrukturnetze, also auch Strom, Gas und Telekommunikation. Die Experten attestieren allen Netzen eine hohe Qualität. Sie seien ein Garant für den inneren Zusammenhalt des Landes und sicherten eine hohe Standortqualität.
Deshalb müsse alles unternommen werden, um mangels Investitionen ins Hintertreffen zu gelangen und in eine “Infrastrukturlücke” zu laufen. “So würden wir künftigen Generationen versteckte Schulden aufbürden”, warnte Leuenberger.
In dem Bericht signalisiert das UVEK auch die Bereitschaft über die private Beteiligung bei Ausbauprojekten in sogenannten Public Private Partnership nachzudenken.
cf

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