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CH/NR verlangt nach UBS-Affäre schriftliche Protokolle vom Bundesrat (AF)

(Neu sind die zwei letzten Abschnitte)
Bern (awp/sda) – Das Verhalten des Bundesrats bei der Bewältigung der UBS-Affäre soll Konsequenzen haben: Der Nationalrat verlangt, dass in Zukunft alle Sitzungen der Regierung protokolliert werden.
Im Zusammenhang mit der Rettung der UBS und der Herausgabe von Bankkundendaten an die USA hatte der Bundesrat auf schriftliche Aufzeichnungen verzichtet, weil er um die Geheimhaltung fürchtete. In ihrem Untersuchungsbericht war die Geschäftsprüfungskommission (GPK) zum Schluss gekommen, dass die ungenügende Führung durch den Bundesrat nicht zuletzt auf die fehlenden Protokolle zurückzuführen ist.
“Die Protokolle des Bundesrats sollen als Führungsinstrumente dienen. Sie müssen ebenfalls die nachträgliche Nachvollziehbarkeit der Beratungen und Beschlüsse des Bundesrats gewährleisten”, schrieb die GPK in ihrem Bericht. Gestützt darauf formulierte sie eine Motion, die der Nationalrat am Mittwoch mit nur drei Gegenstimmen überwiesen hat. Der Ständerat hat eine gleich lautende Motion schon im Dezember angenommen.
Die Vorstösse verpflichten den Bundesrat zur durchgehenden Schriftlichkeit seiner Beratungen und Beschlüsse. Das Gebot soll auch bei geheimen Geschäften und im Falle von bloss mündlichen Informationen gelten. Bis anhin wurden in Bundesratssitzungen ein Beschlussprotokoll geführt sowie ein so genanntes grünes Protokoll, das den Verlauf der Sitzung wiedergab und die einzelnen Wortmeldungen auswies.
Vergebens sträubte sich der Bundesrat dagegen, derart vom Parlament in die Pflicht genommen zu werden. Ein Wortprotokoll lehnte er mit Verweis auf das Kollegialitätsprinzip ab. Der Bundesrat habe das Anliegen der Motion bereits erfüllt, indem er seit Anfang Jahr ein erweitertes Beschlussprotokoll führe, sagte Bundeskanzlerin Corina Casanova. Weitere Anpassungen seien geplant. Im Rat stiess sie damit auf taube Ohren.
Immerhin konnte die Bundeskanzlerin ein Lob von Kommissionssprecher Ruedi Lustenberger (CVP/LU) mitnehmen: Ihr sei es zu verdanken, dass der GPK überhaupt Informationen aus den Bundesratssitzungen zur Verfügung gestanden hätten. Unter Missachtung der Anweisung des Bundespräsidenten hatte Casanova die Vizekanzler nämlich angewiesen, schriftliche Aufzeichnungen der Sitzungen zu machen.
In ihrem Untersuchungsbericht vom Mai 2010 war die GPK zum Schluss gekommen, dass der Bundesrat bei der Bewältigung der UBS-Affäre schlicht versagt hatte. Die parlamentarische Aufsicht warf der Regierung Führungsmängel und völlig ungenügende Kommunikation vor. Gestützt auf ihre Erkenntnisse formulierte sie 5 Motionen, 2 Postulate und 19 Empfehlungen, die nun nach und nach vom Parlament behandelt werden.
Wie ernst es der Nationalrat mit deren Umsetzung meint, demonstrierte er am Mittwoch anhand einer weiteren Motion der GPK: Diese verlangt, dass die Konkursdelikte des Strafgesetzbuches für systemrelevante Unternehmen auch dann gelten, wenn diese vom Staat gerettet werden mussten und darum gerade nicht in Konkurs gegangen sind.
Dagegen wandte Justizministerin Simonetta Sommaruga ein, dass die Gläubiger, die mit den Strafnormen geschützt werden sollen, im Fall der Rettung nicht geschädigt werden. Zudem würde die Änderung zwei Kategorien von Tätern schaffen, nämlich Mitarbeitende von normalen und solche von systemrelevanten Unternehmen. Trotz dieser Argumente überwies der Nationalrat die Motion einstimmig.
tp

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