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CH/Strombranche beklagt “Fundamentalopposition” gegen neue erneuerbare Energien

Bern (awp) – Die Schweizer Strombranche erhält bei Projekten im Bereich neuer erneuerbarer Energien zunehmend Gegenwind. Viele Vorhaben scheiterten nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, sondern am Widerstand von Umweltverbänden, betroffenen Einzelpersonen oder Tourismusorganisationen, sagte Kurt Rohrbach, Präsident des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) am Montag beim Stromkongress in Bern.
“Fundamentalopposition bringt die neuen erneuerbaren Energien definitiv nicht weiter”, kritisierte Rohrbach. Auch verzögerten kaum koordinierte und aufwändige Bewilligungsprozesse die Umsetzung der Produktionsanlagen. Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollten bis 2030 aber zusätzliche 5’400 Gigawattstunden (GWh) Strom aus erneuerbaren Quellen stammen, betonte der VSE-Präsident, der gleichzeitig auch CEO des Stromkonzerns BKW ist.
BKW hatte am Morgen bekannt geben, deutlich weniger Anlagen für erneuerbare Energien zu erstellen als ursprünglich geplant. Die inländischen Ausbauziele für 2030 wurden um 40% auf 600 GWh gesenkt. “Wir haben das nicht willentlich reduziert, sondern die Widerstände haben uns zu einer Neubeurteilung der Situation gezwungen”, sagte Rohrbach dazu. Die nun angestrebten 600 GWh seien aber realistisch. Neben der zunehmenden Opposition der Bevölkerung hatte das Unternehmen auch auf schleppende Verfahren verwiesen.
Der VSE-Chef bekräftigte die Ansicht, dass die Schweiz auf Grosskraftwerke sowie Kernenergie bis auf weiteres nicht verzichten könne. Der Import grosser Strommengen über das ganze Jahr sei aus Gründen der Versorgungssicherheit keine optimale Lösung, sagte er. Ausserdem lasse die EU keine privilegierten Langfristverträge mehr zu.
Beim geplanten Energieabkommen mit der EU zog der Verbandspräsident eine gemischte Zwischenbilanz. “Die Ziele der EU bezüglich offenem Energiemarkt optimieren letztlich die Versorgung und sind in unserem Sinn”, sagte er. Mehr Sorgen bereiteten aber die Ziele bezüglich erneuerbarer Energien. Sie könnten einen starken Anstieg der Energiepreise bewirken, was die Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Industrie verschlechtere.
Mit Blick auf die Liberalisierung des Marktes in der Schweiz attestierte Rohrbach dem Bundesrat Weitsicht, als er die Inkraftsetzung des revidierten Stromversorgungsgesetzes (StromVG) um ein Jahr auf Januar 2015 verschoben hatte. Dies, um nicht einen unglücklichen Endspurt wie vor dem ersten Öffnungsschritt zu provozieren, so der VSE-Präsident. Die Zeit könne jetzt genutzt werden, um die Schwachpunkte zu beseitigen und mehrheitsfähig zu gestalten.
Ob das Ziel der Versorgungssicherheit erreicht sei, könne man heute noch nicht beurteilen, hiess es. Vom Ziel eines wettbewerbsorientierten Strommarktes, in dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmten oder in dem Kunden ihre Stromanbieter je nach Offerte wechselten, sei die Schweiz noch ziemlich weit entfernt.
Es gehe nicht an, dass die Branche freie Kunden zu Gestehungskosten beliefern müsse, die Kunden aber auf den freien Markt gehen dürften, wenn dort die Preise tiefer seien. Dies rufe keine Anbieter auf den Plan. “In einem solchen Umfeld wird denn auch kein Mensch investieren”, so Rohrbach weiter. Für ein funktionierendes Stromnetz brauche es angemessene Erträge. Die Netzbetreiber lebten momentan aber von der Substanz.
cc/ps

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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