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DE/Banken fürchten grosse Belastung durch neue Regeln (AF)

FRANKFURT (awp international) – Deutschlands Banken befürchten Milliardenbelastungen durch schärfere Eigenkapitalregeln (“Basel III”) – und hoffen zumindest auf lange Schonfristen. Lobbyverbände und die Banken selbst warnen vor einer Ballung neuer Anforderungen als Tribut an die jüngste Krise. “Wer hier überzieht, gefährdet die wirtschaftliche Erholung und die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt”, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Hans-Joachim Massenberg, am Montag in Frankfurt. Commerzbank-Vorstand Markus Beumer warnte in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur insbesondere vor möglichen negativen Auswirkungen für Mittelständler.
An diesem Dienstag (7.9.) wollen Aufseher und Notenbanker aus 27 Ländern in Basel die künftigen Kapital- und Liquiditätsregeln für Banken vorantreiben. Am Wochenende treffen sich dann die Chefs von Notenbanken und Aufsichtsbehörden, um die neuen Regeln zu beschliessen. Festgelegt werden muss, wie hoch die Eigenkapitalquote künftig sein soll, welche Rolle alternative Kapitalformen spielen und in welchem Zeitraum die neuen Regeln umgesetzt werden sollen.
RISKANTE GESCHÄFTE EINDÄMMEN
Fest steht bislang nur, dass Banken ihre Geschäfte künftig mit mehr Kapital unterlegen sollen. Das soll riskante Geschäfte eindämmen und die Kosten künftiger Krisen stärker auf die Schultern der Kreditinstitute verteilen.
Gegen erste Vorschläge im Juli hatten sich die deutschen Aufseher zunächst gestemmt. Sie beharrten darauf, Finanzierungsinstrumente wie Stille Einlagen – etwa bei Landesbanken und Sparkassen – als hartes Kernkapital anerkennen zu lassen. Damit standen sie jedoch in der internationalen Debatte allein da und lenkten inzwischen ein.
LANGE ÜBERGANGSZEITEN GEFORDERT
“Wir rechnen mit starken Abstrichen bei der deutschen Haltung”, räumte Massenberg ein. Bei einzelnen Punkten müssten aber noch Kompromisse gefunden werden. Der Bankenverband macht sich vor allem für lange Übergangszeiten stark, um den zusätzlichen Kapitalbedarf zu stemmen. “Sechs bis acht Jahre ist das äusserte Minimum, wir halten zehn bis zwölf Jahre für sinnvoll”, sagte Massenberg.
Die zehn nach Bilanzsumme grössten deutschen Banken rechnen laut Bankenverband allein für höhere Eigenkapitalquoten mit einem zusätzlichen Kapitalbedarf von 105 Milliarden Euro. Damit könnten die Banken eine Kernkapitalquote (Core Tier 1) von acht Prozent und eine weiter gefasste Kapitalquote (Tier 1) von zehn Prozent erreichen.
“BEDROHUNG FÜR KERNGESCHÄFT”
Massenberg warnte davor, die Institute zu überfordern. Feste zusätzliche Kapitalpuffer lehne der Bankenverband ab. Das laufe faktisch auf eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen hinaus. Auch das Instrument der “Leverage Ratio”, die den Verschuldungsgrad der Bank angibt, halte der Verband für kontraproduktiv. “Die Summe der Einzelmassnahmen bedroht das Kerngeschäft der Banken, die Finanzierung der Wirtschaft – mit allen negativen Auswirkungen auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung”, warnte Massenberg.
“Grundsätzlich sind die diskutierten Massnahmen nicht falsch, in der Summe können sie aber zu einem Problem werden”, befand Commerzbank-Vorstand Beumer und verwies auf die besondere Struktur der deutschen Bankenlandschaft mit Landesbanken und Sparkassen. “Sollten die Kapitalanforderungen angehoben werden, fragt man sich, wie die Vielzahl der nicht am Kapitalmarkt notierten Banken aufkapitalisiert werden soll.”
MASSIVER KREDITABBAU BEFÜRCHTET
Schärfere Eigenkapitalregeln könnten sich Beumer zufolge negativ auf das Kreditangebot für deutsche Mittelständler auswirken. “In Deutschland gibt es eine Sondersituation, weil wir bei der Finanzierung einen höheren Anteil beim langfristigen Kreditgeschäft haben”, erklärte er. “Die unter Basel III geplanten Liquiditätsregeln könnten aber dazu führen, dass vor allem kurzfristige Kredite ausgegeben werden. Davon wäre insbesondere der Mittelstand betroffen.”
Der Bankenverband rechnet bei Einführung der “Leverage Ratio” für Deutschlands Banken mit einem zusätzlichen Kapitalbedarf von 36 Milliarden Euro. Sollten die Institute ihren Kapitalbedarf nicht decken können, drohe Kreditabbau in einer Grössenordnung von 1000 Milliarden Euro.
Weiteres Problem, auf das der Verband hinweist: Die neuen Regeln müssten international einheitlich eingeführt werden. Doch während das Vorgängerregelwerk “Basel II” in Deutschland und anderen europäischen Ländern seit 2007 in Kraft ist, gilt es in den USA bis heute nicht./ang/ben/stw

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