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ECONOMICS/Eurozone: EZB verschärft Warnung vor Preisschub nicht (AF)

FRANKFURT (awp international) – Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Ton mit Blick auf die anziehende Inflation nicht verschärft. Der jüngst zu beobachtende Preisschub auf Verbraucherebene sei wohl nur kurzfristiger Natur, sagte EZB-Chef Jean-Claude Trichet am Donnerstag nach der Ratssitzung in Frankfurt. In der geldpolitisch entscheidenden mittleren Frist stehe die Entwicklung nach wie vor im Einklang mit Preisstabilität. Die Leitzinsen seien damit immer noch angemessen. Gleichwohl müsse die Entwicklung sehr genau beobachtet werden. Zuvor hatte die EZB den Leitzins wie erwartet auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent belassen.
Insgesamt bekräftigte Trichet seine Aussagen von der letzten Zinsentscheidung im Januar. Damals hatten Warnungen vor einem kurzfristigen Preisschub zu starker Zinsphantasie an den Finanzmärkten gesorgt. Marktteilnehmer wie Analysten hatten die Aussagen Trichets als Hinweis auf eine frühere Zinserhöhung gewertet, möglicherweise schon in diesem Jahr. Zuletzt war die Inflationsrate im Januar auf 2,4 Prozent gestiegen – die höchste Rate seit über zwei Jahren. Die EZB strebt mittelfristig eine Rate von knapp zwei Prozent an.
Auch Experten konnten insgesamt kaum Neues in den Aussagen Trichets finden. Trichet habe sich insgesamt sehr nah an seine Aussagen von Januar gehalten, sagte Commerzbank-Experte Michael Schubert. Allerdings habe der Notenbankchef erstmals erwähnt, dass sich der Preisdruck im Produktionsprozess etwas bewegt habe. Dies werde die EZB genau beobachten. Im laufenden Jahr sei wohl nicht mehr mit einer Zinserhöhung zu rechnen.
Trichet betonte, die Einschätzung des EZB-Rats zur Inflation habe sich im Vergleich zur Januar-Sitzung nicht wesentlich geändert. So dürften die Inflationsraten im Jahresverlauf zwar weiter zulegen und erst gegen Ende 2011 zurückgehen. Allerdings seien die wichtigen Inflationserwartungen immer noch fest verankert. Zudem sei das Geld- und Kreditwachstum nach wie vor gering. Zugleich räumte Trichet ein, dass die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise eine neue Bedrohung in Form von Zweitrundeneffekten darstellen könnten. Darunter versteht man höhere Lohnforderungen zur Kompensation gestiegener Verbraucherpreise.
Trichet sprach bildlich von einem aktuell zu beobachtenden “Hügel” bei der Inflation, der von Zeit zu Zeit vorkommen könne. Diese kurzfristigen Schwankungen seien für die Geldpolitik aber nicht entscheidend. “Was zählt, ist die Entwicklung in der mittleren Frist.” Jüngste Konjunkturdaten deuteten auf eine positive Wirtschaftsentwicklung hin, wenngleich Unsicherheit immer noch vorhanden sei. Insgesamt bleibe die Geldpolitik akkommodierend, also wachstumsstützend.
An den Finanzmärkten geriet der Euro nach den Aussagen Trichets zum Dollar kräftig unter Druck. Innerhalb weniger Minuten gab die Gemeinschaftswährung um rund einen Cent nach. Offensichtlich hatten einige Marktteilnehmer auf konkretere Hinweise oder einen schärferen Ton der Notenbank gehofft. Entsprechend gaben die Renditen an den Rentenmärkten nach. An den Aktienmärkten war hingegen kaum eine Reaktion festzustellen./bgf/stb

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