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Eon läuft gegen Atomsteuer Sturm – Milliardenbelastung befürchtet (Zus)

(neu: mehr zur Atomdebatte)
DÜSSELDORF (awp international) – Deutschlands grösster Energiekonzern Eon befürchtet eine Milliardenbelastung durch die geplante Atomsteuer. Der Düsseldorfer Konzern will sich dagegen mit allen Mitteln zur Wehr setzen und droht der Bundesregierung in letzter Konsequenz sogar mit einer Abschaltungen von Atommeilern. Der neue Unternehmenschef Johannes Teyssen warnte die Berliner Koalition am Mittwoch in Düsseldorf davor, durch eine Brennelementesteuer zusätzliche Belastungen zu schaffen, die den Betrieb von Kernkraftwerken wirtschaftlich unmöglich machten.
“Ich vermag mir noch nicht wirklich vorzustellen, dass eine Regierung, die für eine Laufzeitverlängerung angetreten ist, im Ergebnis einen Zustand herstellt, der zu einer Laufzeitverkürzung führt. Das wäre ein Treppenwitz der Geschichte”, sagte der Manager in einer Telefonkonferenz. Die Atomsteuer könnte den operativen Gewinn von Eon um etwa 1,3 bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr nach unten drücken. Teyssen geht davon aus, dass die Brennelementesteuer die Energiebranche mit insgesamt 3,5 statt der bisher bezifferten 2,3 Milliarden Euro pro Jahr belasten würde. Der Bundesregierung warf er zudem Orientierungslosigkeit vor: Auch zehn Monate nach Abschluss des CDU/FDP-Koalitionsvertrags “besteht immer noch keine Klarheit über den künftigen energiepolitischen Kurs”, schrieb Teyssen im Zwischenbericht an seine Aktionäre.
DROHUNG MIT RECHTLICHEN SCHRITTEN
Wegen der geplanten Atomabgabe müssten neben dem Betrieb der Kernkraftwerke auch die geplanten Investitionen in die Modernisierung der Energieversorgung in Deutschland auf den Prüfstand gestellt werden, argumentierte Teyssen. Er drohte auch mit rechtlichen Schritten seines Unternehmens gegen die Sondersteuer. Eon sei zwar zu einem “Vorteilsausgleich” für längere Laufzeiten durchaus bereit, aber nur, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zu den zusätzlichen Erlösen stehe. Teyssen dementierte indes einen Medienbericht, wonach die Atomkonzerne für eine Verlängerung der Meiler-Laufzeiten um zwölf Jahre 30 Milliarden Euro angeboten hätten.
Eon hat in diesem Jahr vom Konjunkturaufschwung profitiert. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um sieben Prozent auf 44,3 Milliarden Euro. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn nahm um elf Prozent auf knapp 6,1 Milliarden Euro zu. Neben der Wirtschaftserholung spielte auch der lange Winter eine Rolle. Beide Effekte liessen den Strom- und Gasabsatz in den ersten sechs Monaten um jeweils mehr als ein Drittel steigen. Der Konzernüberschuss sank jedoch wegen höherer Zins- und Steuerbelastungen um neun Prozent auf 3,9 Milliarden Euro.
PROGNOSE BESTÄTIGT
Der Vorstand hielt trotz der operativen Verbesserung in der ersten Jahreshälfte an seiner zurückhaltenden Jahresprognose für 2010 fest. Beim Überschuss gehe man davon aus, dass das Vorjahresniveau wieder erreicht wird. In den ersten sechs Monaten war der bereinigte Überschuss, der für die Dividendenberechnung wichtig ist, um ein Prozent auf 3,3 Milliarden Euro gesunken.
Belastungen erwartet Eon vom kommenden Jahr an auch durch die gesunkenen Preise für Strom an der Börse. Bislang spürte das Unternehmen vom Rückgang wenig, weil es einen Grossteil seiner Produktion Jahre im Voraus zu festen Preisen verkauft hat: Dieser Puffer ist nun aufgebraucht. Seit Mitte 2008 sind die Grosshandelspreise für Strom an der Leipziger Strombörse um fast 40 Prozent gesunken. Ob diese Entwicklung zu den von Verbraucherschützern geforderten Preissenkungen für die Endkunden führen wird, liess Vorstandschef Teyssen offen. Die Preise im Vertrieb würden im Wettbewerb gebildet. Der Spielraum nach unten werde aber durch die steigenden Kosten für die gesetzlich festgeschriebene Förderung der erneuerbaren Energien begrenzt.
KONZERNUMBAU KOMMT VORAN
Teyssen kommt unterdessen beim geplanten Konzernumbau voran. Im Vorstand schafft er einen neues Ressort, von dem aus ab sofort die einzelnen Landesgesellschaften gesteuert werden. Den Posten übernimmt der bisherige Chef der Tochter Ruhrgas, Bernhard Reutersberg. Er ist damit für das gesamte Verteilungs- und Vertriebsgeschäft mit mehr als 30 Millionen Kunden verantwortlich./nl/vd/enl

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