Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

EU-Gipfel: EU-Chefs beraten über Euro und Libyen

BRÜSSEL (awp international) – Libyenkrieg, Atomangst und Eurokrise – auf die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder warten bei ihrem an diesem Donnerstag beginnenden Frühjahrsgipfel explosive Themen. Schon vor dem zweitägigen Spitzentreffen in Brüssel wurden tiefe Gräben zwischen den einflussreichen EU-Ländern Deutschland und Frankreich in der Libyen-Debatte sichtbar.
Auf den Strassen Brüssels wollen bis zu 20.000 Menschen gegen die Sparpolitik der EU-Staaten demonstrieren.
Beim Paket zur Absicherung der Euro-Währung sind neue Diskussionen programmiert. Deutschland will auf Nachbesserungen beim neuen Euro-Rettungsschirm pochen. Berlin soll in den neuen Fonds ESM über mehrere Jahre hinweg rund 22 Milliarden Euro bar einzahlen. Mit dem umfangreichen Paket reagiert die EU auf die Schuldenkrisen in Griechenland und Irland, die den Euro ins Wanken brachten. Am Rande des Treffens dürfte die Lage im hochverschuldeten Portugal zur Sprache kommen, das bisher keine Milliardenhilfen in Anspruch nimmt.
Nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs soll der derzeitige Krisenfonds EFSF für klamme Eurostaaten bis Ende Juni auf 440 Milliarden Euro aufgestockt werden. Das geht aus dem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Entwurf der Gipfel-Abschlusserklärung hervor. Zum selben Termin soll auch die endgültige Abmachung für den künftigen Rettungsfonds ESM fertig sein, der 2013 stehen und eine Kapitalbasis von 700 Milliarden Euro haben wird. In Deutschland muss der Bundestag zustimmen.
Die “Chefs” wollen auch die bereits im Grundsatz vereinbarte enge Wirtschaftskoordinierung der Eurozone beschliessen. Nicht-Eurostaaten werden eingeladen, bei den Absprachen mitzumachen.
In der Libyen-Krise ist die EU zwar einig über humanitäre Hilfe; doch in der kriegerischen Auseinandersetzung gibt es keinen gemeinsamen Kurs. Beim Gipfel dürfte das deutsche Fernbleiben beim Militäreinsatz gegen das Gaddafi-Regime zur Sprache kommen, meinten Diplomaten. Das “Nein” der Bundesregierung hat besonders die Franzosen vor den Kopf gestossen.
Ob die derzeitigen Luftschläge vor allem der USA, Grossbritanniens und Frankreichs von den EU-Staatenlenkern gutgeheissen werden, blieb zunächst offen. In der vorbereiteten Gipfel-Erklärung wird – im Gegensatz zu einer früheren Fassung – noch nicht einmal die UN-Resolution 1973 begrüsst. Sie ist Grundlage für das militärische Eingreifen. Bereits am Mittwoch beschloss die Europäische Union verschärfte Sanktionen, so werden die Guthaben der staatlichen libyschen Ölgesellschaft eingefroren.
Nur auf den erste Blick einig ist sich die EU beim Reizthema Stresstests für Atomkraftwerke. Länder wie Deutschland wollen eine freiwillige Selbstverpflichtung. Grossbritannien sträube sich aber gegen gemeinsame europäische Standards, berichteten Diplomaten. Gipfelchef Herman Van Rompuy rief dazu auf, nach den Vorfällen in Japan zu handeln: “Wir sollten Lehren aus diesen Ereignissen ziehen, insbesondere, was die nukleare Sicherheit betrifft”, heisst es in seinem Einladungsschreiben zum Gipfel./cb/aha/DP/jsl

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft