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EU/Streit um rasche Finanzaufsichtsreformen

STRASSBURG/BRÜSSEL (awp international) – In den Verhandlungen um eine Reform der europäischen Finanzaufsicht sind die Fronten verhärtet. Eine entscheidende Verhandlungsrunde zwischen EU-Mitgliedstaaten, Europaparlament und Europäischer Kommission wurde am späten Montagabend in Strassburg ohne Einigung unterbrochen. Damit ist die Chance offensichtlich vertan, wie ursprünglich vorgesehen das Parlamentsplenum am Mittwoch in erster Lesung über eine Kompromisslösung abstimmen zu lassen. Diese hätten die europäischen Finanzminister bei ihrem Rats-Treffen am 13. Juli dann endgültig verabschieden können.
Es geht um die Schaffung von drei neuen EU-Aufsichtsbehörden für die Banken-, Wertpapier- und Versicherungssektoren sowie eines bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelten Weisenrats zur Früherkennung für den gesamten Finanzsektor systemischer Risiken. Umstritten ist, wie viel Macht gegenüber den nationalen Regierungen und Aufsehern die EU-Agenturen bekommen sollen, etwa wenn sich nationale Regulierer nicht einigen können, bei der Aufsicht grenzüberschreitend tätiger Banken oder um im Notfall hochspekulative Finanzprodukte verbieten zu können.
Grossbritannien und Deutschland sind nach Angaben von Teilnehmern etwa gegen starke Durchgriffsrechte auf die nationale Ebene. Parlament und Kommission wünschen sich mehr Macht für die europäischen Institutionen. “Das Europaparlament möchte eine echte europäische Lösung als Antwort auf die Krise und lädt den Rat ein, sich weiter in diese Richtung zu bewegen”, sagte der SPD-Abgeordnete Udo Bullmann der Nachrichtenagentur dpa.
Als nächstes sollen die Parlamentsfraktionen diesen Dienstag entscheiden, ob das Parlament am Mittwoch über seine Version eines Reformpakets abstimmt oder – was unwahrscheinlicher ist – bis zum Herbst wartet. Auf alle Fälle könnte die neue belgische Ratspräsidentschaft die Verhandlungen über die Sommerpause fortführen. Als letzter Termin für ein Votum im Parlament gilt der Oktober; andernfalls könnten die Behörden nicht wie geplant am 1. Januar die Arbeit aufnehmen. Dann drohen sich auch andere Finanzreformen wie die geplante Kontrolle von Derivaten zu verzögern./dj/DP/zb

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