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EUROZONE/EU steht hinter Athen – neue Milliardenhilfen stehen bereit

BRÜSSEL/ATHEN (awp international) – Griechenland kann im Kampf gegen die Staatspleite auf seine europäischen Partner bauen. Die EU-Staats- und Regierungschefs signalisieren Athen, dass es nach dem 110-Milliarden-Paket vom vorigen Jahr mit einem neuen riesigen Hilfsprogramm rechnen können. Dafür müssen die Griechen aber das neue Sparprogramm von Ministerpräsident Georgios Papandreou akzeptieren – und in die Tat umsetzen. “Das ist absolut nötig, um das Vertrauen wiederherzustellen”, sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy in der Nacht zum Freitag in Brüssel.
Offiziell soll das neue Paket – wie auch die Auszahlung des nächsten Teilbetrags aus dem laufenden Hilfsprogramm – von den EU-Finanzministern Anfang Juli beschlossen werden. Noch fehlt die entscheidende Voraussetzung dafür: Papandreou hat für sein drakonisches Sparprogramm noch nicht die Zustimmung des Parlaments, und auch die Opposition verweigert sich.
Die EU verlangt in einer Gipfelerklärung aber die “nationale Einheit” der Griechen, um die schwere Krise zu meistern. Der Athener Oppositionsführer Antonis Samaras blieb bei einem Treffen konservativer Parteiführer in Brüssel zunächst aber auf seinem Blockadekurs. Die Gewerkschaften wollen das Land in der nächsten Woche während der Parlamentsberatungen für 48 Stunden lahmlegen.
Das neue Nothilfe-Paket soll nach Angaben von Diplomaten einen Umfang bis zu 120 Milliarden Euro haben. Bei diesem Programm sollen sich Banken und Versicherungen auf freiwilliger Basis an den Kosten beteiligen. Details stehen noch nicht fest und sollen von den Euro-Finanzministern bei einem Sondertreffen am 3. Juli ausgearbeitet werden.
Zur Rettung vor dem Staatsbankrott profitiert Griechenland bereits von einem 110 Milliarden Euro schweren ersten Notpaket mit Krediten von Euro-Ländern und IWF. Griechenland ist das erste Euroland, das 2010 an den Finanztropf von EU und IWF musste. Später kamen Irland (85 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro) dazu.
Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, warnte eindringlich vor einem Scheitern der Haushaltssanierung in Griechenland. “Ich gehe davon aus, dass die griechische Regierung die Mehrheit im Parlament haben wird”, sagte Juncker in Brüssel. “Falls nicht, sind wir in einer völlig anderen Gesamtgemengelage.” Dann “werden wir zu sehr erheblichen, Griechenland negativ betreffenden Gesamtentscheidungen kommen müssen. Dies wünsche ich weder Griechenland noch uns selbst.”
Angesichts der dramatischen Lage mahnte Juncker: “Niemand in Griechenland sollte hoffen, dass es so etwas wie einen Plan B gibt. Griechenland muss liefern. Wir im übrigen auch.” Er habe “grösstes Verständnis” für Griechen, die meinten, für eine Krise zahlen zu müssen, mit der sie eigentlich nichts zu tun hätten. Juncker fügte hinzu: “Griechenland muss sich strukturell, befindlichkeitsmässig, seriositätsmässig und ordnungspolitisch sehr verändern, damit es den Sprung in die Zukunft schafft.”
Derweil reagiert die griechische Öffentlichkeit schockiert auf die ersten Details aus dem Sparprogramm, das drastische Steuererhöhungen vorsieht. “Es ist der Gnadenschuss für unsere Einkommen”, titelte am Freitag die linksliberale Zeitung “Eleftherotypia”. Das konservative Boulevardblatt “Eleftheros Typos” kommentierte: “Unerträgliche Kampfsteuern”.
Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos hatte die steuerpolitischen Details aus dem Programm am Donnerstagabend präsentiert. Je nach Einkommensklasse müssen die Griechen demnach eine Solidaritätssteuer zwischen ein und vier Prozent ihres Einkommens zahlen. Für alle Minister, Parlamentarier, höhere Beamte und andere gewählte Personen, wie Bürgermeister, soll die Solisteuer fünf Prozent des Jahreseinkommens betragen. Freiberufler wie Rechtsanwälte, Klempner, Elektriker werden ausser den normalen Steuern zusätzlich 300 Euro an den Staat zahlen müssen. Betroffen sind davon rund 550 000 Personen. Ausserdem wird der Steuerfreibetrag von bisher 12 000 Euro auf 8000 gesenkt. Ausgenommen sind Rentner über 65 Jahre und junge Arbeitnehmer bis zum 30 Lebensjahr./cb/tt/DP/bgf

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