Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

franken: das ende als fluchtwährung?

Der Euro ist so stabil, dass der Franken aus seiner "Fluchtrolle" schlüpfen könnte - vorläufig. swissinfo.ch

Über Jahrzehnte galt der Schweizer Franken als sichere Fluchtwährung. Internationale Investoren fanden in der Eidgenossenschaft ideale und stabile Bedingungen für ihre Geldanlagen vor.

Doch diese Rolle der Schweizer Währung ist nicht auf Dauer gewährleistet. Insbesondere der Euro hat eine Stabilität erreicht, die dem Franken den Rang abzulaufen scheint.

Die Schweiz als Hort für Fluchtgelder hat eine lange Tradition. In internationalen Krisensituationen, in politisch oder wirtschaftlich unsicheren Situationen war sie stets der ideale Ort für Investoren. Helvetien garantierte für Stabilität und Sicherheit.

Die Schweizer Nationalbank hat die Entwicklung des Frankens als Fluchtwährung immer skeptisch verfolgt. Denn ein allzu starker Franken – insbesondere im Vergleich zu Dollar und Euro – schadet der einheimischen Wirtschaft, die auf Exporte angewiesen ist.

Doch in Krisenzeiten kam es regelmässig zu einer Höherbewertung des Frankens: Während des ersten Golfkriegs

(1991), während der Krise des europäischen Währungssystems (1992), bei der asiatischen Finanzkrise (1997) und nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 in den USA.

Im Jahr 2002 erreichte der Franken einen Wert von 1,45 gegenüber dem Euro, der eigentlich für die Exporte “jenseits der Schmerzgrenze” lag. Dieser Grenzwert liegt ungefähr bei 1,50. Der Verkauf von Schweizer Produkten im Ausland liess spürbar nach, weil der Franken einfach zu teuer wurde.

Ungewöhnliche Stabilität

Seither hat sich die Situation etwas verändert. Der Dollar hat sich auf Grund einer Eigendynamik auf vernünftigere Werte eingespielt,

während sich Euro und Franken seit Anfang 2004 parallel entwickelt haben.

Der Franken-Euro-Wechselkurs ist zwar ständig leichten Schwankungen unterworfen, bleibt aber stets in einer Bandbreite zwischen 1,51 und 1,59 Franken. Es sind kleine Schwankungen im Vergleich zu den Vorjahren, als der Euro-Kurs zwischen 1,60 und 1,45 Franken pendelte.

“Die Europäische Zentralbank und die Schweizer Nationalbank verfolgen praktisch dieselbe Geldpolitik. Ausserdem wächst die Wirtschaft in der Eurozone genauso langsam wie in der Schweiz. Daher diese Parallelentwicklung”, sagt Christoph Koellreuter, Direktor und Gründer von BAK Basel Economics.

“Vor allem glauben die Märkte heute an den Euro”, fügt der Ökonom an. Viele Beobachter stellen tatsächlich fest, dass die EU-Währung stets an Glaubwürdigkeit und Vertrauen gewinnt.

Finanz-Franken stört Export

“Die Spekulanten interessieren sich immer weniger für sekundäre Währungen wie den Franken”, unterstrich kürzlich der Präsident der Schweizer Nationalbank, Jean-Pierre Roth. Die Euro-Zone könnte somit in der Tat zum neuen, sicheren Hafen für die Anleger in unruhigen Zeiten werden.

“Bis vor einigen Jahren standen unsere Banken unter starkem Druck, sich in ihrer Investitionspolitik auf den Schweizer Franken

auszurichten. Doch dieser Druck nimmt beständig ab” führt Aldo Visoni, Leiter der Abteilung für Wirtschaftsforschung bei der Gotthard-Bank in Lugano, aus. “Auch Schweizer Banken investieren immer stärker in den Euro.”

Eine allfällige Marginalisierung des Schweizer Frankens als Fluchtwährung würde sicherlich der Schweizer Wirtschaft nicht missfallen. Denn jedes Mal, wenn der Schweizer Franken im Wert steigt, stöhnt die exportierenden Wirtschaft.

Solange die Schweiz politische und institutionelle Stabilität beweist, dürfte der Finanzplatz kaum unter den Kursschwankungen des Frankens leiden. Dies zeigt die Entwicklung im Jahr 2005, in dem

das von Schweizer Banken verwaltete Vermögen ausländischer Kunden auf 2,554 Milliarden Franken stieg – ein Zuwachs von 29,8% gegenüber dem Vorjahr.

Wissenschaftlicher Beweis fehlt

“Bisher handelt es sich noch um subjektive Wahrnehmungen. Es gibt noch keinen definitiven Beweis, dass Euro und Franken ihre Rollen getauscht hätten”, gibt Visoni zu bedenken. Grund: In den letzten beiden Jahren gab es keine markanten internationalen Krisen, die grosse Kapitalverschiebungen zur Folge hatten.

Sicher ist, dass der Euro mit einer recht stabilen Währungszone eine Alternative zum Franken geworden ist. Gleichwohl ist und bleibt der

Franken ein sicherer Wert. “Auch gegenüber dem Euro bleiben die Schweiz und ihre Währung zweifellos von Interesse”, so Christoph Koellreuter. “Das Bankgeheimnis, niedrigere Inflations- und Zinsraten als in den europäischen Ländern. Der Franken hat in Bezug auf seine Stabilität gegenüber dem Euro immer noch einen leichten Vorteil.”

swissinfo, Marzio Pescia (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Rolle des Schweizer Frankens als Fluchtwährung spricht einerseits für die Stabilität und Glaubwürdigkeit der Schweiz in der Welt.

Andererseits ist ein zu starker Franken eine Bedrohung für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft.

Gemäss einer Analyse der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich hat eine Aufwertung des Frankens um 1% einen Rückgang der Exporte um 0,5 Prozent im folgenden Quartal zur Folge.

60% der Schweizer Exporte gehen in die EU.

Für die Schweizer Wirtschaft ist der Wechselkurs Franken/Euro von entscheidender Bedeutung.

Seit Anfang 2004 schwankt der Kurs zwischen den beiden Währungen kaum.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft