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Griechenland und US-Kurskapriolen verunsichern Anleger (Zus.)

FRANKFURT (awp international) – Die Griechenland-Krise und historisch einmalige Kurskapriolen an den US-Börsen haben am Freitag Anleger rund um den Globus in Verwirrung gestürzt. In Tokio sackte der Nikkei-Index um 3,1 Prozent auf den tiefsten Stand seit zwei Monaten, die japanische Notenbank pumpte in einer Hilfsaktion zwei Billionen Yen (17 Milliarden Euro) in die Geldmärkte. In Frankfurt reagierte der Leitindex Dax bis circa 17 Uhr mit einem Minus von 3,27 Prozent auf 5714,92 Punkte. Bundestag und Bundesrat machten indes den Weg für die deutsche Griechenland-Hilfe frei.
Am Donnerstagabend war der US-Aktienindex Dow Jones Composite zeitweise rund 1000 Punkte eingebrochen – in Punkten gemessen der grösste Einbruch in der über 100-jährigen Geschichte des Börsenbarometers. Auch breitere Indizes wie der S&P 500 fielen rasant, bevor sich der Verlust auf gut drei Prozent verringerten. Selbst Unternehmen wie Procter & Gamble brachen um mehr als ein Drittel ein – der Marktwert des weltweit grössten Konsumgüterherstellers sank innerhalb weniger Minuten somit um rund 60 Milliarden Dollar. Insgesamt hat der Börsencrash in der Spitze kurzfristig mehr als 1000 Milliarden Dollar vernichtet.
URSACHEN NOCH UNKLAR
Die Ursachen der extremen Schwankungen standen am Freitag noch nicht fest. Händler spekulierten über Computerfehler, versehentliche Falscheingaben, Notverkäufe bei Unterschreiten bestimmter Marken, Marktmanipulationen oder auch die extreme Anspannung angesichts der dramatischen Lage Griechenlands. Der Wirtschaftssender CNBC vermutete, ein grosser Marktteilnehmer habe einen Fehler gemacht. Statt “Millionen” habe er “Milliarden” in sein System eingetippt und damit das Chaos ausgelöst. Eine Bestätigung dafür gab es aber nicht.
Die Börsenaufsicht SEC kündigte eine Untersuchung an. Die beiden New Yorker Börsen NYSE und Nasdaq erklärten, dass alle Transaktionen mit Aktien, die zwischen 14.40 und 15.00 Uhr (Ortszeit) mehr als 60 Prozent verloren hatten, rückgängig gemacht würden.
In Japan drückte zusätzlich der starke Yen auf die Kurse. Denn die japanische Währung hatte bedingt durch den schwachen Euro in Folge der Schuldenkrise Griechenlands zuletzt kräftig zugelegt. Japanischen Exporteuren fällt es dadurch schwerer, Waren in Europa zu verkaufen.
EURO AUF TALFAHRT
Der Euro ging angesichts der griechischen Schuldkrise und der Sorge vor einem Übergreifen auf andere Euro-Länder auf Talfahrt. Die europäische Währung notierte zum Yen zuletzt mit knapp 117 Yen. Zur US-Währung fiel der Euro unter 1,27 Dollar. Noch im Dezember 2009 hatte der Euro bei 1,50 Dollar gelegen.
Die Notspritze der Bank of Japan war die grösste derartige Massnahme seit Dezember 2008, als sie Instituten wie Banken und Brokerhäusern wegen der globalen Finanzkrise ebenfalls zwei Billionen Yen über den Geldmarkt bereitgestellt hatte. Eine ähnliche Operation hatte sie zuletzt Ende vorigen Jahres im Kampf gegen die Deflation unternommen. Die Europäische Zentralbank hatte vergangenes Jahr ebenfalls mehrfach frisches Geld in die Märkte gepumpt, weil sich Banken untereinander nicht mehr vertrauten.
In Berlin billigten Bundestag und Bundesrat die deutsche Bürgschaft für die Notkredite an Griechenland in Höhe von bis zu 22,4 Milliarden Euro. Insgesamt stellen die Euro-Länder innerhalb von drei Jahren bis zu 80 Milliarden Euro bereit, der IWF 30 Milliarden Euro. Für Berlin wird die Staatsbank KfW das Geld bereitstellen. Der Bund bürgt dafür. Athen hat sich im Gegenzug auf ein drastisches Sparpaket im Umfang von 30 Milliarden verpflichtet. Zudem stellen deutsche Banken und Versicherer laut Bundesfinanzministerium freiwillig rund acht Milliarden Euro zur Verfügung./rgo/DP/sk

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